Genderless Fashion

Jung-Designer möchte Statements setzen

Der Journalismus-Student Simon Szalinski fing mit 16 Jahren an, seine eigenen Motive zu entwickeln, welche er bei seinen Eltern im Keller auf T-Shirts druckte. Nun, mit knapp 22 Jahren, ist er in einem ständigen Design-Prozess und überlegt ständig, welche neuen Motive er gestalten und anschließend auf die Kleidung drucken lassen könnte. 

Inzwischen hat er seine zweite „SMN“-Kollektion veröffentlicht, welche er über einen eigenen Online-Shop vertreibt und über Instagram vermarktet. Bisher wurden allerdings nur kleinere Stückzahlen an T-Shirts und Pullovern verkauft. In der Vergangenheit hat er auch schon mit anderen Designern und Künstlern zusammengearbeitet, um seine Ideen umzusetzen und zu verbreiten. Im Gespräch mit ihm geht es um seine Beweggründe für die Marke SMN und worauf er bei dem Design-Prozess Schwerpunkte setzt.

Dass Frauen Männerkleidung anziehen, ist nicht neu, schließlich tragen Frauen seit Jahrzehnen Hosen. Herrenstiefel bekommen einen leichten Absatz und die Skinny-Jeans für Männer ist längst modern.

Die Modeindustrie passt sich der Genderless-Fashion-Bewegung zunehmend an. Auch auf den Laufstegen haben Männer und Frauen schon die gleichen Stücke präsentiert. Sie richten sich bewusst an beide Geschlechter. Modemacher wie Gareth Pugh, Ann Demeulemeester oder die Marke Comme des Garcons bringen seit Jahren Unisex-Kollektionen auf den Markt. Der Designer Rad Hourani war der erste, der im Jahr 2013 eine geschlechtsneutrale Haute-Couture-Kollektion herausbrachte. Die modischen Geschlechtergrenzen weichen auf, verschwinden aber keinesfalls.

Wie bist du dazu gekommen, Mode zu machen?

„Angefangen hat das Ganze ca. 2014/15, als ich auf Seiten wie Tumblr oder Pinterest Bilder von Kanye West gesehen habe, der zu seinen Liveshows immer ziemlich verrückte Sachen angezogen hat, die ich aber irgendwie cool fand.

Da es die Klamotten, die er auf den Bildern getragen hat, teilweise nur in Amerika oder nur für extrem hohe Preise zu kaufen gab, fing ich an, mir YouTube Videos anzugucken, wie man viele davon auch selber machen kann. Ich informierte mich immer weiter über die Möglichkeiten, Motive auf Kleidungsstücke zu drucken, bis ich schließlich mein Taschengeld zusammensparte und mir die Druckmaschine dafür kaufen konnte.“

Wer sind deine Vorbilder oder Inspirationsquellen?

„Früher war es eher die amerikanische Straßenmoden-Kultur, die ich interessant fand, heute eher ein Mix aus amerikanischen Workwear, Second Hand Mode und russischer Streatwear.”

Foto von Marie Hoffmann

Welchen Herausforderungen musstest bzw. musst du dich stellen?

„Ich glaube, die schwierigste Herausforderung für mich ist immer wieder, dass ich viel zu viel nachdenke. Dieses Nachdenken führte dann immer wieder dazu, dass ich, obwohl ich bereits Geld und Zeit in Kollektionen investiert habe, mir im Nachhinein dachte: ,Es kauft doch eh niemand, also lasse ich das Ganze sein und versuche, etwas Cooleres zu designen.’ Das ist auch bis vor kurzem immer wieder der Fall gewesen. Ich habe mich immer zu sehr auf die Meinung anderer konzentriert, anstatt dass ich einfach mal umgesetzt habe und das gemacht habe, worauf ich Lust habe.

In dieser Situation inspiriert mich immer wieder der Designer Austin Babbitt, welcher sagte: ,Thinking gets you nowhere.’ Dieser Satz passt perfekt auf die gesamte Situation, sodass ich mich wieder auf das Wesentliche konzentriere und nicht von meiner Idee abkomme, bis ich sie umgesetzt habe.“

Wie setzen sich deine Designs durch und was tust du dafür?

„Meine Designs entstehen in der Regel mit dem Hintergedanken, dass ich mich frage, was in meinem Kleiderschrank momentan fehlt. Wenn ich dann die ersten Skizzen fertig habe, habe ich früher sehr viel Freunde gefragt, wie sie die Sachen finden. Allerdings ist es unmöglich, die verschiedenen Geschmäcker zu treffen.

Mittlerweile arbeite ich meine Skizzen so lange aus, bis sie mir gefallen. Ob es allen meinen Freunden dann auch gefällt, ist eine Sache. Die wichtigere Sache ist jedoch, dass es mir gefällt. Trotzdem höre ich mir jede Kritik liebend gerne an.

Insbesondere in den letzten Saisons sah man in den Kollektionen vieler Designer, unter anderem auch bei Alexander McQueen oder Dior, politische und gesellschaftskritische Statements durch große Prints.“

Was möchtest du mit deiner Mode ausdrücken?

„Die letzten Klamotten, die ich rausgebracht habe, hatten den Titel ,SMN Selbsthilfegruppe’. Der Hintergrund hinter dem gewählten Titel und der Motive war das Thema Nächstenliebe. Wir alle haben unsere Probleme und vielleicht auch mit Ängsten und Sucht zu kämpfen. Wir stehen nicht alleine damit und es gibt immer einen Weg, gegen diese Probleme anzukämpfen, wofür auch die Smileys auf dem Rücken stehen. Trennt man nun die beiden lachenden Smileys, haben beide einen traurigen Gesichtsausdruck.“

Inwiefern spielt geschlechtsneutrale Mode eine Rolle für dich und deine Designs?

„Es ist definitiv ein großer Hintergedanke hinter jedem Kleidungsstück, weswegen ich auch momentan nur auf Schnitte setze, die eben genderless sind. Mir geht es darum, alle Menschen mit meiner Mode zu erreichen und nicht nur ein bestimmtes Geschlecht.“

Was hältst du von Fast Fashion?

„Fast Fashion ist eines der größten Probleme für die Modewelt, meiner Meinung nach. Die Leute fangen an mit dem Gedanken zu spielen, dass sie Kleidungsstücke schnell austauschen können und schnell wieder entsorgen können.

Das widerspricht meinem Gedanken gegenüber Mode komplett. Es ist extrem wichtig für mich, Kleidungsstücke zu entwerfen, die man auch über mehrere Saisons tragen kann. Den Pullover meines ersten Release trage ich schon seit ca. 1,5 Jahren und das zu jeder Jahreszeit.

Damit ich dem Ganzen entgegenwirke, setze ich auf qualitativ hochwertige Kleidungsstücke, um eine Lebendigkeit zu garantieren.“

Foto von Marie Hoffmann

Im Hinblick auf Profit und Nachhaltigkeit: lassen sich diese beiden Punkte verbinden zum jetzigen Stand der Möglichkeit?

„Das man für qualitativ hochwertige Mode etwas mehr Geld zahlt, wollen viele nicht verstehen. Zudem sind fast alle Klamotten, die ich produziere „made-on-demand“, also werden sie erst hergestellt, sobald eine Bestellung abgegeben wird. Somit möchte ich verhindern, dass überproduziert wird und wertvolle Ressourcen gespart werden können. Was ich den Leuten immer sage: Setzt auf Secont-Hand! Das ist einer der am besten umsetzbaren Wege gegen Fast Fashion anzukämpfen und nebenbei der Kleidung zu Langlebigkeit verhelfen.“

Welche grundlegenden Probleme sieht du in der heutigen Modewelt?

„Die Wertschätzung gegenüber Qualität. Viele sehen es nicht ein, einen höheren Geldbetrag für qualitativ hochwertige Klamotten auszugeben, und tendieren eher zu günstigeren Alternativen, welche sich nicht lange halten. Fast Fashion muss bekämpft werden. Wir tragen damit nicht nur dazu bei, einen weiteren Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen, sondern tun auch unserem Geldbeutel etwas Gutes. Denn wie so häufig gesagt: ,Wer billig kauft, kauft doppelt.’. Das gilt natürlich nicht nur für Mode, sondern allgemein für alles, was sich die Menschen kaufen. Es heißt ja nicht, dass nur High-Fashion- Produkte gekauft werden sollen. Ganz im Gegenteil, die Leute sollten lieber darauf achten, die lokalen Produkte zu kaufen und gucken, wie die Kleidung hergestellt wurde und unter welchen Bedingungen. Das muss nicht immer teuer sein.

Viele Leute vergessen dies leider und kaufen weiter bei Fast-Fashion-Ketten, um mit dem Trend zu gehen. Oftmals sind aber genau die zeitlosen Kleidungsstücke diejenigen, die den eigenen Stil ausmachen und die man dann doch am liebsten trägt, weil die Qualität und die Passform einfach stimmig ist.“

Welche Chancen und Risiken siehst du für dich in der Mode in den nächsten Jahren?

„Ich hoffe, dass ich mithilfe der richtigen Werbefläche meine Reichweite noch deutlich vergrößern kann. Zudem hoffe ich, auch was Qualität angeht, mich stetig zu steigern. Über Risiken mach ich mir keine Gedanken mehr, denn so wie bereits gesagt: Thinking gets you nowhere.

Was versprichst du dir von deiner Zukunft als Designer?

Ich hoffe, irgendwann nur von meiner Kunst leben zu können. Nicht nur mit den Klamotten, sondern auch mit all den anderen kreativen Tätigkeiten, die mir Spaß machen.

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