von Gina Janssen
„Levy hat immer wieder den Finger in die Wunde gelegt, wo unsere Gesellschaft nicht funktioniert“, erzählt uns Zeitzeuge Volker Landig. Fritz Levy muss im Laufe seines Lebens einen langen und steinigen Weg zurücklegen.
Mit der Juni-Aktion wird Fritz Levy am 11.11.1938 in das KZ Sachsenhausen verschleppt.
Von nun an hält er sich über sechs Monate im KZ Sachsenhausen auf und teilt seine Emotionen weiterhin in einzelnen Flugblättern mit. Levy überlebt das KZ immerhin physisch, andere nicht. Von 120 Menschen mit jüdischer Abstammung in Jever werden letztlich 65 ermordet. Der Rest entkommt. Nach Zusicherung der sofortigen Auswanderung und absolutem Redeverbot über die Zeit im KZ kommt Fritz Levy schließlich frei. Er lebt für eine kurze Zeit wieder in Jever, doch schon jetzt ist nichts mehr wie zuvor. Jüdische Geschäfte sind geschlossen und die Vermögen beschlagnahmt der Staat. Haus- und Grundbesitz der jüdischen Bürger gelangt per Zwangsverkauf in arische Hände.
Am 11.05.1939 wandert Levy nach Shanghai aus. Die Millionenstadt ist damals die einzige Stadt, die Menschen jüdischer Kultur ohne ein Visum aufnimmt. Hier lebt er von nun an neun Jahre und hält sich mit einem Job als Fahrradkurier über Wasser. Grundsätzlich äußert sich Levy immer positiv bezüglich seiner Zeit in Shanghai. Der Lebensstil gefällt ihm scheinbar. Dennoch reist er später weiter nach San Francisco und arbeitet hier unter anderem als Gebäudereiniger, Gerüstbauer und Lastwagenfahrer der US-Army. Hier lebt er für zwei Jahre. Später fliegt Levy nach New York, dann mit dem Dampfer bis Rotterdam und fährt schließlich mit dem Zug zurück in seinen Heimatort. Am 22. November 1950 ist die unfreiwillige Weltumrundung abgeschlossen. Fritz Levy ist der einzige, der im Jahre 1950 aus Heimatliebe nach Jever zurückkehrt. Zeitzeuge Volker Landig erzählt uns, dass Levy erfährt, dass er noch überlebende Nichten habe. Diese seien die einzigen Lebenden der Familie. Andere Familienmitglieder gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Außerdem erzählt man ihm, dass er sein Haus zurückerhalten könne.
„Was ihm entgegen stieß in jener Zeit war, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen über einen kleinen Viehhandelsbetrieb, das Erbe der Familie Levy, hinweg entwickelt hatten“, erzählt der ehemalige Pastor der Gemeinde. Im Jahre 1955 geht der Viehhandel bankrott, weil Levy die wirtschaftliche Veränderung verfehlt. Er muss sich also von nun an anders über Wasser halten.
Erschwerend kommt für ihn hinzu, dass er nach gescheiterter Ehe und einem verlorenen Sohn psychisch schwer erkrankt.
Landig blickt zurück: „Sicherlich hatte er auch ein Verfolgungssyndrom unter dem er zeitlebens gelitten hat.“
Quelle: Privatarchiv Hartmut Peters, Wilhelmshaven
Gespräch mit Volker Landig am 19.10.2021
Interview mit Volker Landig