Wind in den Flügeln: 20 Jahre Mühlenverein DE GOEDE VERWAGTING e.V.

von Lisa Götzke, Linda Kühn und Michelle Ramm

Besucher:innen und Spenden als Einnahmequellen: Der Erhalt von denkmalgeschützten Gebäuden

Ostfriesland ohne seine Mühlen ist unvorstellbar. So ging es auch den Bewohnern von Neuharlingersiel und Umgebung mit ihrer Seriemer Mühle. Um die seit vielen Jahrzehnten denkmalgeschützte Mühle vor dem Verfall zu bewahren, wurde ein Mühlenverein gegründet. Frischer Wind weht, der Geruch von Meerwasser liegt in der Luft, man hört das Knarzen von Holz, Flügel drehen sich im Wind. Knapp zwei Kilometer hinter dem Deich in der Nähe von Neuharlingersiel findet man die Seriemer Mühle. Der einstöckige Galerieholländer ist am Neuharlingersieler Tief gelegen und umgeben von Feldern. Von der Galerie aus kann man die gesamte Umgebung beobachten. In der Ferne liegen die Häuser der nächsten Ortschaft.

Im Jahr 1804 wurde die Mühle namens DE GOEDE VERWAGTING in Neuharlingersiel erbaut. Der Galerieholländer wurde bis 1975 gewerblich genutzt, um Futtermittel herzustellen, und anschließend bis 1988 für die eigene Viehhaltung. Heutzutage wird die Mühle vom Mühlenverein für Mühlenfeste und weitere Aktivitäten genutzt. Claas Thaden, Sohn der Eigentümerin der Mühle Eke Thaden, engagiert sich gemeinsam mit dem Mühlenverein und zahlreichen Sponsoren dafür, die Mühle zu
erhalten und zu fördern. Um dies zu gewährleisten, ist sie seit vielen Jahrzehnten denkmalgeschützt.
Da noch alte Gerätschaften aus der Zeit des Müllerbetriebs erhalten sind, wird normalerweise in der Mühle Schaumahlen angeboten. Die Scheune, die an die Mühle grenzt, wird nebenbei für Aktivitäten genutzt. Vor der Restaurierung veranstaltete der Verein in ihr Flohmärkte, die schnellstmöglich wieder
stattfinden sollen.

Die Seriemer Mühle (Urheber: Michelle Ramm)
Mahlgang mit den darin befindenden Mahlsteinen der Seriemer Mühle (Urheberin: Lisa Götzke)

Doch auch wenn die Mühle denkmalgeschützt ist, ist der Erhalt nicht einfach. So unterstehen denkmalgeschützte Mühlen bestimmten Verordnungen. Welche Farbe darf für den Anstrich genutzt werden, mit welchem Holz darf die Galerie repariert werden? Das sind nur ein paar Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Zudem gibt es bei den Verordnungen noch Unterschiede, ob das Gebäude durch einen Verein unterhalten wird oder durch eine Gemeinde. „Für öffentliche Gebäude und öffentliche Träger gelten andere Bestimmungen, viele Stiftungen fördern nur Vereinszwecke“, so Anke Kuczinski, Leiterin vom Museum „Leben am Meer“, welches seine Heimat im Inneren einer Mühle in Esens hat. Pech für städtisch betriebene Mühlen, Glück für die Seriemer Mühle, die dem Mühlenverein DE GOEDE VERWAGTING gehört. Mit 16 Metern ragt die Mühle zum Himmel empor, die Fassade gezeichnet vom unruhigen Wetter des Nordens. Das hölzerne Innenleben ist trotz all der Jahre gut erhalten. Das Achsrad, den Bunkler, das Stirnrad und die Korbräder für einen Mahl- und Pellgang erneuerte der Mühlenverein. Für die gesamte Restaurierung investierte der Verein mithilfe von Sponsoren über 400.000 Euro, verteilt über mehrere Bauabschnitte. Zwischen Gerätschaften und
Holzbalken führen kleine enge Treppen in die oberen Etagen der Mühle. Dort befinden sich die traditionellen Mahlgänge und der Pellgang, die funktionsfähig sind. Dies ist dem Verein zu
verdanken.

Durch den Erhalt der Maschinerie bietet sich die Möglichkeit für Spektakel wie das Schaumahlen, das viele Besucher anzieht. Deshalb ist die Zugänglichkeit zur Mühle so wichtig. Das findet auch Claas Thaden, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Denn es sei einfacher, an die Fördergelder zu kommen, wenn die Mühle der Öffentlichkeit zur Verfügung stehe. Seit den 1960er-Jahren steht die Seriemer Mühle zur Besichtigung offen. Mit Aktivitäten wie dem Flohmarkt in der Scheune neben der Mühle oder dem Schaumahlen wird den Besucher:nnen immer wieder etwas Besonderes geboten. An Tagen wie dem Pfingstmontag, an dem der Deutsche Mühlentag stattfindet, ist erst echt was los: „Umgerechnet, wenn alles mitspielt, Wetter und so weiter, sind hier bis zu 2000 Besucher über den Tag verteilt“, erinnert sich Thaden an die vergangenen Feste. Doch durch die Corona-Pandemie fiel all das aus. Die Besucher blieben im Lockdown weg, die Spendenkasse im unteren Teil der Mühle leer. Aber auch hier gibt es positive Seiten, denn durch das Wegbleiben von Gästen ergab sich die Chance, nötige Arbeiten durchzuführen. So nutzte der Verein 2020 die Möglichkeit, die anliegende Scheune zu renovieren. Für den Umbau selbst nutze man 8000 gebrauchte Steine, um möglichst das ursprüngliche Aussehen beizubehalten. Zudem war die deutsche Stiftung für Denkmalschutz so bereit, neben weiteren Sponsoren, die Arbeiten an der Scheune mitzufinanzieren. Ein Vorhaben, das privat kaum möglich gewesen wäre und der Beweis, dass der Erhalt von Mühlen stets als bedeutsam angesehen wird.


Doch was kann man neben Spenden tun, um die Mühle zu unterstützen? Freiwillige Hilfe ist das Stichwort, das uns Anke Kuczinski vom „Leben am Meer“ gibt, die selbst das Problem kennt, welches alle Mühlen in den letzten Jahren auch unabhängig von der Pandemie in Not versetzt. Handwerker beispielsweise könnten gerne ihre Hilfe anbieten, um kleinere Reparaturen durchzuführen und Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, seien ebenfalls gern gesehen. Auch der Erwerb der Produkte, die von den Mühlen angeboten werden, seien eine Hilfe. Doch nicht nur aus finanziellen Gründen, sagt Kuczinski: „Wenn die Leute sehen: ‘Aha, es gibt Gäste, die sich
interessieren, für die machen wir das‘‚ ich glaube, dass dann einfach die Freude an der Arbeit und an dem Erhalt bleibt“. Selbst wenn der Erhalt der Mühle aufwendig ist, Thaden und der Mühlenverein werden sich weiterhin für den Erhalt einsetzen. Bereits jetzt stehen die ein oder anderen Pläne für die kommende Zeit fest. Sicher ist: Die Mühle wird weiterhin geöffnet bleiben und sobald Corona es zulässt, werden die üblichen Aktivitäten wieder aufgenommen.