Aishas zehnjähriges Abenteuer in Deutschland
Von Sophie Bockelmann und Anne Florin Kobusch
aus dem Modul Journalistische Grundlagen 2
„Ich habe gedacht, dass Deutschland das Thema Rassismus nach dem zweiten Weltkrieg gut aufgearbeitet hat.“ Mit dieser Erwartungshaltung ist Aisha Beatriz Leibing vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Sie wollte herausfinden, wie sich die Gesellschaft durch den Krieg geändert hat, und bekam mit gerade einmal 19 Jahren durch ein Stipendium die Möglichkeit dazu.
Zuvor hatte sie in Salvador, Brasilien gelebt und studiert. 2014 startete sie dann in ihr Auslandsstudium, welches für drei Semester geplant war. In Marburg lernte sie sieben Monate intensiv die deutsche Sprache, bevor sie nach Thüringen zog um in der Kleinstadt Schmalkalden Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Dort war sie sehr erschrocken über die Menschen und ihren Umgang mit Ausländern. Sie erzählt, dass sie das Haus nicht verlassen konnte, ohne Blicke oder Kommentare zu kassieren, ob allein oder mit Freunden. Brasilien sei bezüglich Rassismus und Gewalt gegen Frauen sehr viel weiterentwickelt, dort gebe es auch strengere Gesetze. Aisha fordert, Deutschland solle aktiver werden, im alltäglichen Leben gegen Rassismus vorgehen und sich nicht hinter Schuldgefühlen verstecken. „Ich wünsche mir, dass man sich mehr Gedanken über Ausländer macht“, sagt sie. Sie seien genauso Teil der Gesellschaft und sogar nötig, um die Wirtschaft in Deutschland aufrecht zu erhalten. Trotzdem würden sie wie eine Gefahr behandelt werden.
Umzug nach Wilhelmshaven
Nach zwei Semestern in Thüringen kehrte sie wieder zurück nach Brasilien mit dem Fazit: „Ich war ziemlich enttäuscht [von der Gesellschaft] hier in Deutschland und hatte genug gesehen“.
Kurze Zeit später kehrte sie nach einigem Hin und Her jedoch wieder zurück nach Deutschland, sie war schwanger und ihr Freund lebte noch immer in Schmalkalden. Rückblickend, sagt sie, war das die falsche Entscheidung. Sie fühlte sich nicht wirklich wohl in Deutschland.
Nach weiteren zwei Jahren in Thüringen zog sie 2017 nach Wilhelmshaven, um Maschinenbau an der Jade Hochschule zu studieren. An der Hochschule ist sie eine von acht Studierenden aus Brasilien. Hier fühlt sie sich deutlich integrierter, als in Thüringen. „Seit ich Mitglied in einem Verein bin, ist meine Integration abgeschlossen“, sagt sie schmunzelnd. Aisha ist Mitglied im Kanu- und Segelsportverein Wilhelmshaven e.V.. Hier kann sie ihre Leidenschaft mit anderen teilen und fühlt sich verstanden. Auch mit den Angeboten der Hochschule ist sie zufrieden. Sie selber engagiert sich im AStA und ist Referentin für Anti-Diskriminierung. Integration bedeutet für Aisha einen Austausch miteinander und das Akzeptieren und Respektieren verschiedener Kulturen. Man könne nicht von Ausländern erwarten, dass sie sich alleine in die Gesellschaft integrieren. Es sei ein stetiges Geben und Nehmen. „Integration ist keine Einbahnstraße“, findet Aisha.
Sehnsucht nach Brasiliens Sonne bleibt
Trotz der gelungenen Integration in Wilhelmshaven möchte Aisha nicht für immer in Deutschland bleiben. Sie vermisst die Sonne und ihre Familie in Brasilien, aber vor allem fühlt sie sich in Deutschland wie gefangen, da es nie ihr Plan war, längerfristig hier zu bleiben.
Wo es für sie in Zukunft hingeht, weiß sie noch nicht genau. Aisha kann sich vorstellen, zurück nach Brasilien zu kehren, wenn sie dort im Home Office für einen europäischen Arbeitgeber arbeiten kann. Sir träumt von einem Haus am Strand, wie eine Freundin von ihr es hat. Ansonsten kommen auch europäische Länder in Frage. Spanien findet sie wegen der Offenheit der Menschen und der Wärme gut, aber auch die Niederlande findet sie ansprechend. Hier gefällt ihr vor allem die Segelkultur, die sie während einiger Ausflüge in das deutsche Nachbarland kennenlernen durfte.
Eins steht für Aisha auf jeden Fall fest: „Es ist für mich sehr wichtig, in einer Gesellschaft zu leben, in der jeder gleichgestellt ist.“
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