von Gina Janssen
„Wie schön wäre es gewesen, bei einem alten Mann in einer WG zu wohnen und sich seine Geschichten aus China und Amerika anzuhören“, schreibt Autor Manfred Gebhards, der für zwei Jahre bei Fritz Levy in der Schlosserstraße lebt.
Fritz Levy findet aus verschiedenen Gründen den nahen Kontakt zur jungen Generation. Die Jugendlichen von Jever wollen mehr über das jüdische Erbe ihrer Stadt erfahren. Also erzählt Levy ihnen viele Details und zeigt ihnen Orte, an denen einmal Juden gelebt haben. Die Jugendlichen fühlen sich von Levy verstanden und vor allen Dingen ernst genommen. Laut dem Zeitzeugen Hartmut Peters habe Levy immer ein besonderes Gespür für die Menschen am Rande der Gesellschaft gehabt. Unter den Außenseitern soll Levy sich ausgesprochen wohl gefühlt haben. „Bei Fritz landeten des Öfteren Gestalten, die zuhause rausgeflogen waren oder Ehekrach hatten“, so Manfred Gebhards in einem Artikel der Nordwest-Zeitung von 2019. Später wollen die Heranwachsenden von Jever ein autonomes Jugendzentrum errichten. Da die Stadt Jever auf diese Idee vorerst völlig verständnislos reagiert, bietet Levy ihnen sein Haus als Treffpunkt an. 1980 wird in der Stadt Jever dann tatsächlich ein richtiges Jugendzentrum errichtet. Levy engagiert sich auffallend für das Jugendzentrum und leiht sich für die Ausstattung sogar häufig Geld von seinen Mitbürger*innen. Volker Landig erzählt uns: „Bis heute schuldet er mir noch 100 Mark, weil er ein Klavier kaufen wollte.“ Auch wenn die junge Generation zu Fritz Levy einen besonderen Kontakt gehabt habe, sieht Volker Landig die Beziehung heute eher kritisch: „Die Jugendlichen haben ihn, ohne es zu merken, überfordert und über den Rand seiner Belastbarkeit belastet.“ Die Heranwachsenden von Jever sind der festen Überzeugung, dass Fritz Levy sich in den Stadtrat wählen lassen solle. So sammelt er schnell die Unterstützungsunterschriften, um zu kandidieren und durchläuft ein spezielles Wahlverfahren.
Fritz Levy wird 1981 als einziger 80-jähriger, parteiloser Mann in den Stadtrat gewählt. Ein Jahr später ist er tot.
Quelle: Privatarchiv Hartmut Peters, Wilhelmshaven
Gespräch mit Hartmut Peters am 19.10.2021
Interview mit Volker Landig und Hartmut Peters
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