von Enrico Giardina
Immer wieder riefen etwa Gewerkschaftsverbände zu Demonstrationen gegen die Politik der rechten Regierung in Italien auf. Doch Widerstand gibt es nicht nur auf der Straße, verschiedene Personen und Organisationen versuchen durch Aufklärung oder vor Gericht illiberaler Politik etwas entgegenzusetzen. Ein Blick auf den Widerstand.
Streiks für Pressefreiheit
Die italienische Regierung nutzt vermehrt ihre Spielräume, um Einfluss auf die Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Rai zu nehmen. Aus Protest rief die Hausgewerkschaft USIGRai am 6. Mai zu einem ersten Streik auf, an dem sich drei Viertel der Journalist:innen beteiligten. Bei einer Pressekonferenz beklagten sie die „erdrückende Kontrolle“ durch die Versuche, „Rai in ein Sprachrohr der Regierung zu verwandeln“. Auch die Betriebsräte der Rai-Nachrichtenredaktionen haben in vergangenen Monaten mehrfach protestiert. Ihre Kritik richtete sich meist gegen Parteilichkeit zugunsten der Regierung im Programm und die Besetzung von Führungspositionen mit regierungsnahen Personen sowie Stellenkürzungen. Im April bereits hatte die Versammlung der Betriebsräte die Gewerkschaft zu größeren Streikmaßnahmen aufgefordert.
Zudem laufen derzeit Ermittlungen gegen drei Journalisten der Tageszeitung Domani, die mithilfe eines Whistleblowers Informationen über Geschäfte des heutigen Verteidigungsministers veröffentlichten. Diese Entwicklungen im Blick, stufte Reporter ohne Grenzen Italien kürzlich auf der Rangliste der Pressefreiheit von der Kategorie „zufriedenstellend“ in „problematisch“ ab. Damit einher ging die Forderung an die Regierung, sie solle ihre Versuche, solche – laut Meloni „diffamierende“ – Berichterstattung zu unterdrücken, stoppen.
Klagen für Vielfalt
Eintragung gleichgeschlechtlicher Paare in die Geburtsurkunden ihrer Kinder unterlassen. Vor Gericht versuchen Staatsanwaltschaften seitdem gegen sich widersetzende Kommunen vorzugehen. Anfang März urteilte ein Gericht in der Stadt Padua, dass im Falle 37 lesbischer Paare nicht nur die biologische Mutter, sondern beide Elternteile, das Recht auf Eintragung hätten. Ähnliche Verfahren fanden in verschiedenen weiteren Gemeinden statt. Zwar existiert zu dieser Anordnung noch keine Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, so hatte es allerdings bereits 2021 aufgrund europäischer Vorgaben angemahnt, allen Familien gleiche Rechte zuzugestehen. „Ich bin überzeugt, nach den Prinzipien der Verfassung zu handeln. Es ist undenkbar, dass es Kinder erster und zweiter Klasse gibt“, erklärte der Bürgermeister der Stadt Padua in einem Presse-Statement nach der Gerichtsentscheidung. Er forderte die Regierung auf, den Familien gesetzlich Schutz einzuräumen.
Gerichte und NGOs stärken Asylrecht
Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, wie etwa Sea-Watch, Sea-Eye oder Mission Lifeline aus Deutschland, agieren im Mittelmeer zur Rettung Geflüchteter in Seenot. Durch Anlegeverbote oder Beschlagnahmungen versucht die italienische Regierung, die zivile Seenotrettung einzuschränken. Klagen der entsprechenden Organisationen verliefen in der Vergangenheit häufig zu deren Gunsten. Auch weitere zur Abschreckung gedachte Maßnahmen der Regierung, wie etwa die Abschiebehaft Geflüchteter aus als sicher eingestuften Ländern, wurden von Gerichten aufgehoben. Eine Kammer in Catania stellte fest, dass dieses Vorgehen gegen europäische Vorschriften und die Verfassung verstoße. Niemand dürfe demnach in Haft genommen werden, bevor eine individuelle Prüfung des Asylantrags erfolgt ist, hieß es im Gerichtsurteil.
Zuletzt ordnete Anfang Mai die italienische Luftfahrtbehörde an, NGO-Flugzeugen Aufklärungseinsätze über dem Mittelmeer zu verbieten. „Mitten im Europawahlkampf versucht Italien, die letzten Zeuginnen der europäischen Verbrechen im Mittelmeer loszuwerden. Wir lassen uns davon nicht einschüchtern“, erklärte die Organisation Sea-Watch in einer Pressemitteilung. Das Flugverbot sei politisch motiviert und rechtlich nicht haltbar.
Zivilgesellschaftliche Bündnisse
Die vor rund 10 Jahren gegründete italienische Koalition für Bürgerrechte (CILD) ist ein Verband aus mehr 30 Mitgliedsorganisationen und engagiert sich nach eigenen Angaben vor allem gegen Diskriminierung und staatliche Überwachung und für Transparenzpflichten und Bürgerbeteiligung. Vor allem durch öffentlichkeitswirksame Recherchen, zum Teil mit der Hilfe von Whistleblower:innen, trägt sie zu Aufklärung über politische Missstände bei. Neben der Dokumentation politischer Verhältnisse, nimmt die Organisation auch auf nationaler und europäischer Ebene Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren, vertritt Opfer von Menschenrechtsverletzungen juristisch oder klagt Transparenzauskünfte vor Gericht ein. Im Jahr 2023 veranstaltete CILD unter anderem eine Medienakademie zu Themen von Diversität und Repräsentation und vertrat inhaftierte Geflüchtete, um ihr Recht auf ordentliche Asylverfahren sicherzustellen.