Schlicktown statt Schweden

von Lena Kümmel

Mit dem Traum vom Auslandssemester einmal um die halbe Welt. Oder vielleicht auch nur ins Nachbarland? Wieso sich ein Auslandssemester auch an einer kleinen Hochschule in Norddeutschland lohnt, erzählt Mira aus der Schweiz

Spätestens wenn die Zusage für ein passendes Stipendium sicher ist, steht der großen Reise nichts mehr im Weg. Tickets buchen, Koffer packen und los geht es. Ein Semester im Ausland studieren, das heißt für viele, endlich für eine längere Zeit in einem anderen Land zu leben, an den Wochenenden zu verreisen und die Zeit für Dinge zu nutzen, für die ein kurzer Urlaub nicht reicht – vom Roadtrip ans Meer bis zum Kletterausflug in die Berge. Und ganz nebenbei hat man noch ein paar Module absolviert, die man sich an seiner Heimatuniversität anrechnen lässt.

Die Erwartungen an ein Auslandssemester sind oft hoch, die Studierenden wollen etwas erleben. Umso größer dann die Enttäuschung, wenn sich ein Wunsch nicht erfüllt oder man eine Absage von seiner Lieblingsuni erhält. Dabei muss ein gutes Auslandssemester gar nichts mit mit einem bestimmten Land oder einer bestimmten Hochschule zusammenhängen. Mira Wecker ist Austauschstudentin aus der Schweiz und kam zum Wintersemester 2022/23 nach Wilhelmshaven, um ein Semester Medienwirtschaft und Journalismus zu studieren. Geplant hatte sie das so jedoch nicht, denn eigentlich hatte sie sich auf ein anderes Programm in Schweden beworben. Trotzdem sagte sie zu, als sie einen Platz an der Jade Hochschule angeboten bekam, ohne zu wissen, was sie erwartet. Auf ging es also nach Schlicktown, wie Wilhelmshaven gerne liebevoll, manchmal spöttisch, von den Einwohnern genannt wird.

Der sprachliche Einstieg in Deutschland viel Mira nicht schwer, die in Lüdenscheid geboren wurde und auch in der Schule schon immer Hochdeutsch gelernt hat. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, dass viele ihrer Freunde anfangs nicht verstehen konnten, wieso sie ausgerechnet nach Deutschland beziehungsweise nach Wilhelmshaven gekommen ist. Auch wenn Mira anfangs nicht wusste, ob es ihr hier gefallen würde, kann sie die Skepsis mittlerweile nicht mehr nachvollziehen. “Es ist nicht so wichtig, wo du bist, wenn dir das Studium gefällt und du eine tolle WG hast”, sagt sie. Mit ihren Mitbewohnern hat sich Mira von Anfang an gut verstanden und sich schnell eingelebt. Ihr gefällt es gut in Wilhelmshaven, weil sie so viele tolle Leute kennengelernt hat.

Ich mag es nicht, wenn die Leute sagen: "Wieso Wilhelmshaven, wenn du überall hinkönntest?". Das verstehe ich nicht, es ist doch schön hier!

Und auch wenn Deutschland und die Schweiz ähnlich erscheinen mögen, stellt Mira immer wieder kulturelle Unterschiede fest: “Ich finde, dass die Leute hier eine gewisse Offenheit haben, die ich so aus der Schweiz überhaupt nicht kenne. Ich lerne hier unglaublich schnell neue Freunde kennen und das ist einfach toll!”. Die neue Umgebung und anfangs fremden Menschen sind für sie nun zum Alltag geworden und sie hat es schätzen gelernt, in Wilhelmshaven ein Zuhause auf Zeit gefunden zu haben. 

Auch mit ihrem Studium an der Hochschule ist Mira zufrieden. Sie besucht hier fünf Kurse und hat freitags einen freien Tag. Dadurch hat sie ein längeres Wochenende und mehr Zeit, etwas zu unternehmen. Besonders toll findet sie die Angebote und Betreuung durch das International Office. “Die machen wirklich viel, um Studierenden dabei zu helfen, hier Anschluss zu finden. Das ist gerade für die Austauschstudierenden gut, die noch kein Deutsch sprechen”, sagt sie. Im Vergleich zu ihrer Uni in der Schweiz findet Mira die Jade Hochschule viel persönlicher. Sie findet es gut, dass man nicht nur eine Matrikelnummer ist und die Lehrenden auch mal ihren Namen kennen, das macht das Lernen für sie sehr angenehm.

Ob Mira Wilhelmshaven als Studienort für ein Auslandssemester weiterempfehlen würde? “Also, ich glaube, für Leute, die gewisse Vorstellungen von einem Auslandssemester haben, ist es vielleicht eher nichts”, sagt sie. Gleichzeitig findet sie auch, dass man manche Ansprüche mal zu Seite legen müsste, um sich auf etwas Neues einzulassen. Und dann braucht es das Auge für die kleineren Dinge. Wenn Mira anfangs davon genervt war, dass die Verkehrsanbindung aus Wilhelmshaven in größere Städte nicht so schön ist, nutzt sie ihre freien Tage jetzt auch öfters mal, um sich Orte in der direkten Umgebung anzuschauen, die sie genauso schön findet. Hier an der Küste genießt sie es, sich mit Freunden in hübschen kleinen Cafés zu treffen oder am Südstrand entlang zu spazieren. Mira ist sich sicher: “Die wunderbaren Gespräche und engen Freundschaften hier, die hätte ich in der Schweiz nicht gehabt”.

Miras Wohnviertel in der Südstadt.
Miras Wohnviertel in der Südstadt

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