Die Liebe zum Kino schafft ein besonderes Erlebnis

Wie sich zwei unabhängige Kinos trotz großer Ketten und Pandemie behaupten

von Lea Klinge und Klara Wildförster

aus dem Modul "Schwerpunkt Fachjournalismus"

Das Zeli und das Casablanca sind zwei kleine Kinos aus Zetel und Oldenburg, die ihre Besucher*innen mit ihrer charmanten Atmosphäre überzeugen. Beide Kinos haben die Corona-Pandemie gut überstanden und clever genutzt. Sie stehen nun vor der Herausforderung wieder zurück in die Normalität zu finden.

„Wir haben Stoffhäschen auf die Kinosessel gesetzt, um die Abstände wahren zu können. Das fanden vor allem die Kinder toll, aber auch die Erwachsenen nahmen es mit Humor“, erzählt Michael Drieling vom Zeli in Zetel als er auf die roten Sessel mit eigener „Zeli“-Stickerei schaut. Er lächelt, als er sich daran zurückerinnert wie das Kino versuchte den Ernst der Corona-Pandemie mit dieser Aktion aufzulockern.

Das Zeli ist ein kleines Dorfkino in Zetel und wird ehrenamtlich von einem Verein betreut. Das Casablanca in Oldenburg ist ein Arthouse-Kino, das es seit Beginn der 80er-Jahre gibt. Beide Kinos gehören zu keiner großen Kette und hatten während der Pandemie mit den staatlichen Auflagen zu kämpfen. Die Lockdowns haben beide Kinos effektiv  für Renovierungsarbeiten genutzt. Mit der neuen gemütlicheren Einrichtung wollen die Kinos nun wieder neue Gäste anlocken.

Kino aus Leidenschaft

 „Ich habe schon als Achtjähriger meinem Nachbarn Filme gezeigt“ erinnert sich Michael Drieling zurück. Er wusste das Gesellige schon immer zu schätzen und ist Gründungsmitglied des Vereins „Zeteler Lichtspiele e.V.“ Das Zeli in Zetel ist ein altes Kino mit viel Geschichte, das seit 1921 besteht und es wurde jahrelang als Familienbetrieb geführt. Vor zehn Jahren wurde es dann vom Verein übernommen, der momentan 327 Mitglieder hat. Während der Pandemie verzeichnete der Verein kaum Austritte. „Das liegt vielleicht an dem Mitgliedsbeitrag von nur 12 €, der wird nur einmal im Jahr eingezogen.“ vermutet Michael Drieling. Für eine Vorführung müssen vier bis fünf Mitglieder anwesend sein. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und Michael Drieling weiß warum: „Es ist Liebe fürs Kino“. 

Das Casablanca in Oldenburg begeistert seit der Gründung im Jahre 1981 seine Besucher mit Arthouse-Filmen. „Diese spezielle Atmosphäre gibt es nur bei uns und die wollen wir auch unbedingt erhalten“, erzählt Geschäftsführer Tobias Roßmann. Gerade die besondere Mischung des Kinoprogramms von Arthouse- und größeren Filmen ist ihm wichtig. Er übernahm den Familienbetrieb vor acht Jahren von seinem Vater. 
In den 70er-Jahren kamen viele Studenten zur neuen Universität nach Oldenburg. Dadurch stieg die Nachfrage nach kulturellen Angeboten. Der Vater von Tobias Roßmann war sehr filminteressiert und wollte unabhängige Filme und europäisches Kino zeigen. Über die Jahre baute die Familie das Kino aus, momentan gibt es im Casablanca vier Säle. Es ist das einzige Arthouse-Kino in der Region und erhielt für sein hervorragendes Jahresprogramm von der Bundesregierung und dem Land Niedersachsen eine Auszeichnung. Laut dem Filmlexikon der Universität Kiel beträgt der Anteil der Arthouse-Kinos in Deutschland weniger als 10 Prozent.

 

Dann kam die Pandemie

 „Wir waren die ersten, die schließen mussten während der Pandemie und die letzten, die wieder öffnen durften“, erzählt Tobias Roßmann. Das Kino verzeichnete während der Pandemie einen Besucherrückgang zwischen 30 und 50 Prozent im Vergleich zu 2019.
Die meisten Kinos durften ihre Säle aufgrund des Abstandgebots nicht voll besetzen, sodass insbesondere an den Wochenenden die Ticket-Nachfragen nicht gedeckt werden konnten. Zwischen Juli und Dezember 2020 gab es laut PricewaterhouseCoopers bis zu 5,1 Mio. weniger Sitzplätze in deutschen Kinosälen. Außerdem fand eine Studie der Filmförderungsanstalt heraus, dass im Jahr 2021 nur 15,2 Mio. Zuschauer*innen in die Kinos gingen, im ersten Pandemiejahr waren es noch 15,4 Mio.
 Seit April diesen Jahres gilt nun ein neues Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung, dass die volle Auslastung der Kinosäle wieder erlaubt. Dennoch entwickelt sich die Nachfrage eher schleppend. Große Filmunternehmen haben die Filmstarts von großen Hollywood-Blockbustern, die üblicherweise viele Besucher*innen in die Kinos locken, verschoben. Das betraf beispielsweise den letzten James Bond-Film „No Time To Die“.

Schließungen für Renovierungen genutzt

 „Während der Schließung haben wir das Kino modernisiert. Es gab neue Projektoren, neue Stühle und neue Vorhänge. Außerdem wurde ein neuer Teppich verlegt“, erzählt Tobias Roßmann stolz. Das Casablanca erhielt Unterstützung aus einem Finanzierungstopf der Filmförderungsanstalt. Um das Kino wieder in die Erinnerung der Leute zu holen, gab es eine kleine Gutscheinaktion und die Social Media-Kanäle wurden effektiv bespielt.
 Auch das Zeli nutze die Zeit, in der sie schließen mussten, zur Renovierung. „Beim Umbau haben viele Vereinsmitglieder geholfen“, erinnert sich Michael Drieling. 126 neue Sitze mit individueller „Zeli“-Stickerei zieren nun den einzigen Saal des Kinos. Auch die Wandbespannung und die Beleuchtung des Saals sind neu. Derzeit spart der Verein noch für einen neuen Vorhang. Von den benötigten zehntausend Euro sind schon 3500 Euro zusammengekommen. „Wir investieren fast alle Einnahmen wieder in die Erhaltung des Saals und der Technik.“ Die Renovierungsarbeiten finanzierte das Zeli über ihre Einnahmen und seine Mitglieder.

Das besondere Programm macht’s

„Für große Kinos sind Streaming-Dienste eine Katastrophe, aber unsere Filme laufen dort längst. Die Leute kommen trotzdem hierher, denn es geht ihnen um das Erlebnis“, erzählt Michael Drieling. Die Besucher*innen des Zelis stammen vor allem aus Zetel, der Umgebung und manche sogar aus Oldenburg. „Unsere Besucher sind hauptsächlich 40 Jahre alt und aufwärts“. Das Zeli zeigt montags und freitags Filme aller Art, besonders französische Komödien sind beliebt. Neue Filme, die gerade erst veröffentlicht wurden, zeigen sie nicht. „Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zu den großen Kinos“, meint Michael Drieling „Unser älteres Publikum kann auf die Filme auch warten. Sie genießen das Erlebnis“. Außerdem gibt es im Zeli Themenabende, wo alle Filme einer Reihe am Stück gezeigt werden. Das gab es bereits für die „Zurück in die Zukunft“-Reihe und die „Twilight“-Filme. Auch Tobias Roßmann vom Casablanca betont, dass ihm vor allem die Atmosphäre in seinem Kino am wichtigsten ist. Die Gäste des Casablancas sind ebenfalls älter und kommen aus dem Bildungsbürgertum. Aber je nach Film kommen auch jüngere Zuschauer*innen in das Kino. „Arthouse-Filme sind etwas anderes, sie setzen sich ab und hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck beim Publikum. Es ist wirklich schön, dass wir uns eine besondere Bedeutung in der Region aufbauen konnten“, sagt Tobias Roßmann stolz. Die meisten Besucher*innen des Casablancas kommen aus Oldenburg, einige sogar aus Ostfriesland und dem Emsland.

Letztendlich sehen beide Kinos aber in den Streaming-Diensten keine Gefahr, denn sie wissen, dass sie ihre Besucher mit ihren Besonderheiten anlocken. Gerade wegen der älteren Zuschauer*innen stellen die Streaming-Dienste keine große Konkurrenz dar.
 

 Kinos mit Charakter und Geschichte

 „Man liebt das Kino, man möchte es erhalten“ schwärmt Michael Drieling. Das Zeli besteht seit über 100 Jahren und hat sich seinen besonderen Charme bewahrt. Im Kinosaal steht noch das alte Klavier, dessen Klänge noch früher zu Stummfilmzeiten den Kinosaal füllten. Alle Sitzreihen haben kleine Tische und Lampen. Auch die alten Filmrollenprojektoren gibt es noch, die an Weihnachten wieder in Betrieb genommen werden. „Der Techniker liebt es die alten Geräte zu bedienen“, lacht Michael Drieling. Dann flackern „Die Feuerzangenbowle“ und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ stilecht in schwarz-weiß über die Leinwand. Dazu können sich die Besucher heiße Waffeln oder einen anderen Snack an der Bar im hinteren Teil des Kinosaals genehmigen. Die Preise sind familienfreundlich und erschwinglich, Michael Drieling erzählt: „Wir wollen Kino für alle möglich machen.“ Auch im Casablanca wird auf die Atmosphäre sehr viel Wert gelegt. Die Kinositze sind mit rotem Samt verkleidet. „Für die Beschriftung der Bar haben wir extra eine Handlettering-Künstlerin engagiert“, erinnert sich Tobias Roßmann und zeigt stolz auf die liebevoll gestaltete Leiste über der Bar.
 Im Jahr 2019 hatten Snacks und Getränke 4,91 Euro Anteil pro Kinoticket. Das fand die Filmförderungsanstalt, 2020 in einer Studie heraus. Der Umsatz mit Getränken, Nachos, Popcorn und Co. ist für die Kinos also eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Blick in die Zukunft

Im Moment wartet das Zeli darauf, dass die Besucher*innen zurückkommen: „Bei uns geht es vor allem ums Erlebnis, aber wir warten auch darauf, dass es wieder richtig losgeht.“
Da das Kino von ehrenamtlichen Mitgliedern betrieben wird, ist das Zeli nicht unbedingt auf eine große Besucheranzahl angewiesen. „Die Hälfte des Ticketerlöses ist für die Lizenzen“, sagt Michael Drieling. „Leben könnte man davon nicht“. Die Gemeinde macht dem Kino für die Miete ebenfalls einen Freundschaftspreis. „Im besten Jahr kamen 7205 Zuschauer*innen und es gab einen Jahresgewinn von 19 000 Euro.“ erzählt er. Außerdem macht sich Michael Drieling Sorgen um die Zukunft des Zelis. Er hofft, dass eine neue Generation das Zeli weiterhin zu schätzen lernt und weiß auch schon wie das klappen soll: „Die Leute sollen ein Familienhappening aus dem Kinobesuch machen. Die Kinder sollen da hineinwachsen.“
 
 Im Gegensatz zum Zeli ist das Casablanca ein kommerzielles Kino. Besonders während der Pandemie war das eine Herausforderung: „Die Überbrückungshilfe hat unsere laufenden Kosten gut aufgefangen, aber die laufen im Herbst auch aus. Wir müssen zurück in die Normalität finden, um keine Verluste anzuhäufen. Das schöne Angebot soll ja beibehalten werden“, sagt Tobias Roßmann sorgenvoll. Doch er ist sich bewusst : „Das Vertrauen der Leute kommt immer mehr zurück, sie sehnen sich nach Normalität.“
 Wann genau das sein wird, können beide Kinobetreiber nicht genau sagen. Üblicherweise erzielen laut PricewaterhouseCoopers Kinos die meisten Einnahmen – immerhin 26 bis 30 Prozent ihres Jahresumsatzes – im ersten und vierten Quartal, da das Interesse für Kinobesuche in den Sommermonaten geringer ist. Dementsprechend müssen Michael Drieling und Tobias Roßmann auf die Herbst- und Wintermonate hoffen.

Doch der Absatz von Kinotickets ist von  37,3 Mio. in 2020 auf 40 Mio. Tickets in 2021 gestiegen; das entspricht einem Anstieg von sieben Prozent. Die Besuchsintensität (Tickets pro Person) stieg im Vergleich zu 2020 auch um neun Prozent an auf 2,6 Mio. Tickets. Das lässt die Kinos auf einen Aufschwung hoffen.Mit langsamen Schritten erholt sich die Kinobranche von dem Schock, der die Corona-Pandemie für die meisten Kinos bedeutete. Einsatzumbrüche und Frust werden nach und nach abgelöst von Vorfreude auf die folgenden, hoffentlich krisenfreien Monate. Dabei hilft dem Zeli und dem Casablanca ihre individuellen Programme, die sich von denen der großen Kinoketten abheben. Das familiäre und gemütliche Ambiente der beiden Kinos veranlasst Besucher*innen dazu, wiederzukommen. Tobias Roßmann und Michael Drieling warten nun darauf statt Stoffhäschen wieder echte Besucher*innen auf ihren Kinositzen begrüßen zu dürfen.

 

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