Steigende Gefahr im Wasser

Forsa-Umfrage zeigt: Immer weniger Kinder können schwimmen

von Viktoria Grushev und Merle Bräuer

aus dem Modul "Journalistische Grundlagen 2"

Sechs von zehn Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren können nicht sicher schwimmen, Tendenz steigend. Welche Ursachen liegen in der Entwicklung und welche Maßnahmen können konkret getroffen werden, damit wieder mehr Kinder schwimmen lernen?

Die Schwimmbewegungen werden langsamer, während der Körper sich nur noch mit Mühe über Wasser halten kann. Um genau solche potenziellen Gefahrensituationen zu erkennen und im Ernstfall zu helfen, werden die Lebensretter der DLRG am Südstrand in Wilhelmshaven ausgebildet.

Allein 2022 verzeichnete die DLRG Wilhelmshaven drei lebensbedrohliche Rettungseinsätze. Zwar waren in diesen Fällen keine Kinder involviert, dennoch sind deutschlandweit im Jahr 2022 20 Kinder im Alter von null bis zehn Jahren ertrunken. Die Entwicklung zeigte sich in den vergangenen Jahren steigend, was unter anderem damit zusammenhängt, dass laut einer Forsa-Umfrage für die DLRG knapp 60 % der Kinder, die die Grundschule verlassen, nicht sicher schwimmen können.

Wilhelmshaven: DLRG und WSSV zeigen sich besorgt um die Badesicherheit bei Kindern. Lange Wartelisten für Schwimmkurse sind nur ein Grund für die steigende Zahl der Nichtschwimmer. (Foto: Merle Bräuer)

Kinder bewegen sich immer weniger

„Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass Kinder Schwimmen lernen“, erzählt Uwe Rossmeisl, Schwimmabteilungsleiter des Wilhelmshavener Schwimm- und Sportvereins (WSSV). Er engagiert sich schon viele Jahre für die Schwimmausbildung bei Kindern und sieht dem Zuwachs der Nichtschwimmer mit Sorge entgegen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Der WSSV sieht als wichtige Bedingung für den Einstieg von Kindern in den Schwimmsport, dass sie eine ausreichende Sporttauglichkeit mitbringen. Laut einer Studie der WHO bewegen sich 83,7 % der Kinder und Jugendlichen jedoch zu wenig. Ein Grund dafür sei unter anderem der erhöhte Medienkonsum im Zuge der Digitalisierung. Carsten Schröder, erster Vorsitzender der DLRG Ortsgruppe Wilhelmshaven, sieht ein weiteres Problem darin, dass viele Familien sich hauptsächlich in den Nichtschwimmerbereichen aufhalten und weniger in der freien Natur schwimmen gehen, wodurch bei Kindern der Anreiz fehlt, das Schwimmen zu lernen.

Verantwortung der Schulen

Sowohl in der Grundschule als auch in der weiterführenden Schule ist der Schwimmunterricht für mindestens ein Jahr verpflichtend. Dieser ist für viele Kinder besonders wichtig, denn einige erfahren hier den ersten Kontakt mit einem Schwimmbad. Dabei fehle es den Kindern oft an Selbstständigkeit. Bereits in der Umkleidekabine hätten viele Kinder Schwierigkeiten dabei, sich umzuziehen, wie Carsten Schröder erklärt.

Auch beim Lehrpersonal gibt es Probleme. Ab einer Anzahl von 15 Kindern müssen zwei qualifizierte Aufsichtspersonen vor Ort sein, wofür die Schulen oftmals nicht genügend Lehrkräfte besitzen. Die Schwimmabteilung des WSSV hat bereits zahlreiche Anfragen erhalten, Schwimmkurse in den Schulen zu leiten, die jedoch nicht realisiert werden können.

Lange Wartelisten

„Wir haben in Wilhelmshaven bestimmt mehrere 100 Kinder auf der Warteliste und da sind die Kapazitäten schon eingeschränkt“, stellt Uwe Rossmeisl klar. Neben dem Lehrschwimmbecken in Altengroden steht in Wilhelmshaven außerhalb der Sommerzeit nur das Nautimo für die Schwimmausbildung der Kinder zur Verfügung. Dieses bietet nur begrenzte Schwimmzeiten an, in denen Vereine und Schulen die Schwimmstunden durchführen können.

Sabrina Siebels ist Mutter von zwei Kindern aus Varel. Auch sie hat Erfahrungen mit begrenzten Kapazitäten an Schwimmkursen im Umkreis machen müssen. „Wir waren bei zwei Kursen auf der Warteliste und ich habe auch mit der DLRG gesprochen“, doch für ihren sechsjährigen Sohn musste sie dennoch etwa ein Jahr auf einen Platz im Seepferdchen Kurs warten.

Entgegen der hohen Nachfrage von Familien gibt es einen Mangel an ehrenamtlichen Übungsleitern. Auch bei der DLRG herrscht Nachwuchsmangel. „Die meisten Trainer sind Schüler. Nach der Schule ziehen sie häufig weg oder stehen aus anderen Gründen nicht mehr zur Verfügung“, entgegnet Philine Weiser, technische Ausbildungsleiterin und erste Jugendvorsitzende der DLRG.

Trugschluss Seepferdchen

Sowohl bei der DLRG als auch beim WSSV wird die Seepferdchen Ausbildung angeboten. Uwe Rossmeisl berichtet von etwa 120 Kinder, die pro Woche die Kurse besuchen. „Dass das Seepferdchen zum Schwimmen befähigt, ist ein Trugschluss. Das müssen wir den Eltern auch immer wieder sagen, denn das sind die Vermittler zum Schwimmerfolg der Kinder.“ Mit dem Bronzeabzeichen gewinnen die Kinder laut Uwe Rossmeisl die notwendigen Kompetenzen für ein sicheres Schwimmen.

Die Aufklärung über Gefahren ist insbesondere an der Nordseeküste von besonderer Bedeutung. Philine Weiser und Carsten Schröder können während ihres Dienstes am Südstrand in Wilhelmshaven häufig fehlende Kenntnisse im Umgang mit dem offenen Gewässer beobachten. Im Gegensatz zum Schwimmbad gibt es keine ausgewiesenen Nichtschwimmerbereiche und die Kinder haben keine Möglichkeiten zum Festhalten. Viele Menschen unterschätzen beim Rein schwimmen in das Gewässer die Strömung, durch die sie wieder zurückschwimmen müssen.

Prävention durch Aufklärung

Als mögliche Lösung schlägt Uwe Rossmeisl vor, Präventionsmaßnahmen in Form von Aufklärungsarbeit durch die DLRG in der Grundschule anzubieten, sodass Kinder zum Schwimmen motiviert werden. „Im Idealfall würden diese Kinder dann weitermachen und irgendwann ihr Wissen weitergeben.“

Philine Weiser entgegnet, dass die DLRG bereits Aufklärungsarbeit in Schulklassen und Infomaterialien für Lehrkräfte anbietet. Doch um diese Arbeit flächendeckend zu leisten, fehle es auch hier an Ehrenamtlichen, die in der Vormittagszeit für die Projekte zur Verfügung stehen. Für den ersten Kontakt mit Wasser hält Carsten Schröder es für sinnvoll, bereits im letzten Kindergartenjahr mit den Kindern ins Schwimmbad zu fahren, um nötige Grundlagen wie das selbstständige Umziehen und Duschen schon zu erlernen und Komplikationen in den Schwimmkursen der Grundschule zu vermeiden.

Sabrina Siebels würde sich wünschen, dass es eine übergreifende Liste gibt, in der man sich für alle Schwimmkurse in der Region eintragen kann, sodass man benachrichtigt wird, sobald in einem Schwimmkurs ein freier Platz verfügbar ist. Somit müssten die Eltern ihre Kinder nicht parallel in mehreren Schwimmkursen an- und abmelden.