Mit vereinten internationalen Kräften gegen Fake News

Eine Woche Faktenchecken in Utrecht

von Nike Tecklenborg

„Ich habe die gleiche Quelle gefunden, die der Autor genutzt hat, aber der wichtigste Zahlenwert war bei ihm anders“, erzählt eine Studentin nach ausgiebiger Recherche zum Prüfen eines politischen Statements. Beim Suchen der Primärquelle war sie auf einen Online-Artikel aufmerksam geworden, der nach häufigem Verbreiten ein kontroverses Politiker-Statement auslöste. Nach Kontaktieren des Autors stellte sich heraus, dass tatsächlich ein Wert falsch aus einer Statistik veröffentlicht wurde, da der Autor in der Zeile verrutscht war. Somit hatten auch die Statements, die danach folgten, keinen Wahrheitsgehalt mehr.

An diesem Beispiel sieht man, dass es besonders für Journalistinnen und Journalisten wichtig ist, im Sinne einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung, Fehlinformationen, Desinformationen und Malinformationen zu erkennen und entsprechend damit umzugehen. Gerade bei politischen Statements ist dies wichtig, um den wahren Faktenwert oder die wahre Absicht einer Person oder Organisation zu erkennen. Eine Methode dafür ist die des Factcheckings. Dabei werden vor allem Statements geprüft, in denen die Aussagen als Fakten oder anhand von Zahlen dargestellt werden und die häufig eine kontroverse Meinung oder Annahme repräsentieren. 

Die European Journalism Training Association (EJTA) hat 2019 das EUFACTCHECK-Projekt ins Leben gerufen, um diese Methode an ein europäisches Netzwerk von Journalist:innen ausbildenden Hochschulen heranzutragen und junge Erwachsene für das Thema zu sensibilisieren. Regelmäßig arbeiten dabei Studierende und Lehrende aus verschiedenen Ländern Europas zusammen, um mit verantwortungsbewusster Recherche nach gemeinsamen Regeln gegen falsche Informationen vorzugehen.

Im Rahmen des „EU Factchecking Labs“ an der Hogeschool Utrecht wurde diese Methode in einer intensiven Woche vom 13. bis 17. Mai anhand von Gruppenarbeiten und Gastvorlesungen an 35 Studierende herangetragen. Sie wurden von neun lehrenden Personen dabei angeleitet, in Arbeitsgruppen eigene Factchecks für die Webseite https://eufactcheck.eu/ durchzuführen und zu veröffentlichen. Die Teilnehmenden kamen aus Rumänien, Kroatien, Spanien, Deutschland, Georgien, Belgien, der Ukraine und der Niederlande. In der Woche lag der Fokus vor allem auf den bevorstehenden Europaparlaments-Wahlen und dazu getätigten Statements.

Gruppenarbeit und spannende Gastvorlesungen

In international besetzten Vierer-Teams ging es schon beim ersten Kennenlern-Spaziergang in den Austausch über Claims von Politiker:innen, die die Studierenden bereits im Vorfeld als Hausaufgabe recherchiert hatten. Danach begannen die Gruppenrecherchen. Außerdem hörten die Teilnehmer:innen über die Woche verteilt Gastvorlesungen zu den Themen „Reporting Climate Change to Gen Z“, „Truth or Trust, dilemma´s in reporting the facts“, „Factchecking war, the case of Ukraine“ und „Workshop data research“.

Vorgehensweise beim Factchecking

Während der Recherche-Zeiträume hat jedes Gruppenmitglied zu einem Teilaspekt des ausgesuchten Statements recherchiert. Dazu wurden vor allem Primärquellen der Claims gesucht und auch Autor:innen der Texte, Politiker:innen und Parteien kontaktiert und gebeten, die Quellen zu nennen. Um angegebene Zahlen zu prüfen, wurden Webseiten wie Eurostat verwendet. Bei der Handhabung der Seite hat der Workshop zur Datenrecherche geholfen. Im gemeinsam erarbeiten Text für die Webseite wurden die Einzelteile jedes Claims analysiert und mit Fakten und Quellennennung falsifiziert oder verifiziert beziehungsweise als nicht überprüfbar eingestuft. Laien soll es so ermöglicht werden, die Claims zu verstehen und einzuordnen.

Ergebnisse der Gruppen

Am Ende der Woche gab es interessante Ergebnisse der einzelnen Gruppen zu ihren Factchecks. Viele Gruppen konnten belegbar ihre Claims als „mostly false“ oder „false“ einstufen. Neben Claims unter anderem aus Ungarn und Dänemark wurde auch ein Claim der AfD geprüft. Diesen hatte die Partei im Wahlkampf vor den Europawahlen in einem Kurzvideo auf Instagram veröffentlicht. Im Reel „AfD-Programm in 59 Sekunden“ äußerte die Partei unter anderem folgendem Satz: „Wir [Deutschland] sind größter Nettozahler, aber sind ärmer, gehen länger arbeiten und haben weniger Wohneigentum als die meisten EU-Mitglieder.“ Nach ausgiebiger Recherche konnte dieser Claim als „mostly false“ (weitgehend falsch) eingestuft werden.

Kultureller Austausch

Neben der intensiven Recherche und den Vorlesungen, gab es für die Teilnehmenden auch ein kulturelles Programm außerhalb der Hogeschool. Bei gemeinsamen Bar- und Restaurant-Besuchen, Boule- oder Darts-Spielen und einer Bootstour durch die Kanallandschaft von Utrecht hatten die Teilnehmer:innen viel Zeit, sich und die Kulturen der anderen kennenzulernen.

Spannend und herausfordernd

Besonders gut hat mir an dieser Woche gefallen, dass ich neue journalistische Fähigkeiten erlernen konnte und sie auf Englisch umsetzen musste. Mit drei weiteren Kommiliton:innen und unserer Dozentin Alice Düwel durfte ich die Jade Hochschule in Utrecht vertreten. Das hat mich persönlich sehr weitergebracht und stellt eine gute Ergänzung zum Medienwirtschaft- und Journalismus-Studium dar. Außerdem hat es mich gefreut, neue internationale Freundschaften schließen zu können und von anderen Kulturen im privaten und journalistischen Kontext zu lernen. Herausfordernd fand ich das Finden eines guten Claims, der spannend ist, aber auch alle Kriterien für einen zu prüfenden Claim erfüllt. Ich fand es außerdem sehr anspruchsvoll, sich so intensiv mit Fakten auseinanderzusetzen, damit die Einordnung am Ende auch stimmt. So haben wir einen intensiven und sehr praxisnahmen Einblick in das Thema Fact-Checking bekommen und, wie eingangs bereits erwähnt, sogar Fehler aufgedeckt, die einen Rattenschwanz an falschen Informationen mit sich gebracht haben. Aus meiner Sicht ist dies ein wichtiger Bestandteil in der Journalist:innen-Ausbildung und damit enorm bedeutend für einen unabhängigen Journalismus und damit für die Demokratie.