"Wenn der Meeresspiegel weiter steigt und die lebensnotwendigen Sandbänke für die Seehunde nicht mehr lange genug trocken bleiben, wird das zu einem ernsten Problem für den Bestand dieser Art.“
Tim Fetting (Leiter der Tierpflege in der Seehundstation Norddeich)
Wesentliche Aspekte der Küstenkrise
Die Meereserwärmung und der steigende Meeresspiegel haben weitreichende Folgen – nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen in den Küstenregionen. Natürliche Schutzmechanismen, wie Salzwiesen oder Sedimentablagerungen, funktionieren immer schlechter, während Deiche die Situation kurzfristig retten, langfristig aber verschärfen. Dr. Achim Wehrmann, Geologe und Fachgebietsleiter der Aktuopaläontologie am Forschungsinstitut Senckenberg, warnt, dass besonders rund um den Jadebusen ein Deichbruch fatale Folgen hätte. Durch die entwässerten Böden ist das Land hinter den Deichen bereits abgesackt. Bei einem Deichbruch strömt das Wasser ins Hinterland und sammelt sich dort wie in einer riesigen Badewanne. Wohnorte stehen unter Wasser und gehen zugrunde. Die Meereserwärmung und der höhere Meeresspiegel machen solche Szenarien wahrscheinlicher und zeigen: Sowohl die Ökosysteme als auch die Menschen an den Küsten brauchen dringend neue Lösungen, um den kommenden Herausforderungen gewachsen zu sein.
Verlorene Vielfalt, Neue Gäste
Die Meereserwärmung verändert nicht nur die Artenvielfalt im Lebensraum Wattenmeer. Die Temperaturveränderungen dehnen das Meerwasser aus. Dies entsteht aufgrund einer Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und dem Ozean. Das Wasser nimmt schlichtweg an Volumen zu. Hinzu kommen Wassermassen aus den schmelzenden Gletschern in Grönland oder den Eisschilden der Antarktis. Aber auch die Erdkruste spielt eine wichtige Rolle, da sie sich vor allem in den Küstenregionen absenkt. Dr. Achim Wehrmann ist Geologe und Fachgebietsleiter der Aktupaläontologie im Forschungsinstitut Senckenberg. Er zeigt uns bereits erste Folgen auf. „Das Meerwasser hat sich allein durch die Temperaturänderung um ungefähr 0,7 Meter ausgedehnt. Durch das Inlandseis in Grönland kämen nochmal ungefähr 7 Meter hinzu. Wenn die antarktischen Eisschilde auch noch abschmelzen, entsteht eine weitere Größenordnung zwischen 45 und 60 Meter.“
Das Wattenmeer steht vor einer Herausforderung. Durch den Anstieg verliert es an Größe. Irgendwann ist es verschwunden. Dr. Wehrmann beschreibt das Wattenmeer zwar als artenarm aber dennoch als wichtige Lebensgemeinschaft. Alle Arten, die dort vorkommen, gibt es in riesigen Mengen. Vor allem die Zugvögel schätzen es als wichtige Nahrungsquelle. Bereits erste Folgen machen sich bemerkbar. Die Salzwiesen sind der große Verlierer des Meerespiegelanstiegs. „Man muss bedenken, dass das, was wir heute an Salzwiesen im niedersächsischen Bereich haben, gerade noch 1,8 Prozent sind. Das sind 98,2 Prozent weniger als wir ursprünglich hatten, Wo sind die hin?“ Auch Miesmuschelbänke sind verloren gegangen. Austernriffe haben sie überwuchert, da sie sich im warmen Wasser wohlfühlen und vermehren. Als Verlierer gelten auch die kälteliebenden Arten, wie der Kabeljau, die sich aus der Nordsee zurückziehen müssen.
Die Meereserwärmung und der Meeresspiegelanstieg führen zu einem Ungleichgewicht im Weltnaturerbe. Es stellt sich zwar ein neues Gleichgewicht ein, welches aber nicht mehr der ursprünglichen Biodiversität entspricht.
Dr. Achim Wehrmann
Geologe und Fachgebietsleiter der Aktupaläontologie im Forschungsinstitut Senckenberg in Wilhelmshaven. In einem Interview erklärt er alles zum Thema Meeresspiegelanstieg und welche Gefahren dieser birgt.
„Das, was man früher immer als Jahrhundert-Hochwasser bezeichnet hat, findet im Moment mehrmals im Jahr statt. Das ist kein Jahrhundert-Hochwasser mehr, sondern quasi Tagesgeschäft!“
- Dr. Achim Wehrmann (Fachgebietsleiter Aktupaläontologie im Forschungsinstitut Senckenberg)
Vom Meer verschluckt
Neben dem Wattenmeer sind aber auch die Einwohner an den Küstengebieten in Gefahr. Die Deiche schützen das Leben der Menschen. Durch Flut oder Hochwasser käme es bereits heute zu überfluteten Gebieten. Zweimal am Tag. Besonders betroffen sind Gebiete in Wilhelmshaven und rund um den Jadebusen.
Dr. Wehrmann sieht die Deiche aber nicht nur als Segen. Der entwässerte Boden setzt sich und liegt tiefer als vorher. Gleichzeitig verhindert ein Deich, dass Sturmfluten Sediment aufs Land tragen können und sich die Fläche so nicht mehr anheben kann.
„Letztendlich entsteht dadurch eine riesengroße Badewanne. Wenn der Deich jetzt einmal bricht, dann läuft die ganze Badewanne voll. Und wir sprechen da von mehreren tausend Quadratkilometern.“
Eine Erkenntnis zeigt, dass der Meeresspiegel sich verschnellert und am Ende dieses Jahrhunderts um mindestens 80 Zentimeter pro 100 Jahre steigt, erklärt der Geologe. Der Deichbau gelangt an seine Grenzen. Die Deiche können nur eine Zwischenlösung sein. Es ist wichtig, dass wir kreative Ideen finden, diese mittragen und auch umsetzen. Es ist laut Dr. Wehrmann noch Zeit sich darauf vorzubereiten, um größere Verluste für alle Betroffenen zu vermeiden.
„Man muss wirklich anfangen und dann auch den Willen haben, wirklich was ändern zu wollen.“
- Dr. Achim Wehrmann (Fachgebietsleiter Aktupaläontologie im Forschungsinstitut Senckenberg)
Als Haupttreiber der Klimakrise in den Meeren gilt der Co2 Ausstoß. Dieser entsteht häufig durch Übertourismus. Wenn ihr zu diesem Thema mehr erfahren möchtet schaut gerne nächste Woche wieder vorbei!
Habt ihr euch schonmal die Beiträge von Sustainable Slay angesehen? Schaut gerne dort vorbei, um schonmal etwas über das Thema Überkonsum zu erfahren.