Grün ist das neue Cool – Wie nachhaltige Mode funktionieren kann

„Nachhaltige Mode“ – geht das überhaupt? Klar geht das! Um Mode nachhaltig produzieren zu können, braucht es einen radikalen Eingriff in die Wertschöpfungskette. Im Detail geht es um den Einsatz umweltfreundlicher Materialien, sowie den Verzicht auf giftige Chemikalien. Zudem sollte der Fokus auf dem ressourcenschonenden Einsatz von Wasser & Energie liegen. Was sonst noch zum Umschwung beitragen kann und warum 8.000 Taka nicht im Geringsten etwas mit einer nachhaltigen Produktion in der Modebranche zu tun haben, erfährst du im Folgenden.

Gut, besser, Bio-Baumwolle.

Erst die schlechte Nachricht, dann die gute: Laut WWF sind 65 Prozent aller Textilfasern auf dem Weltmarkt Kunstfasern und werden aus Erdöl hergestellt. Die gute: Es gibt Alternativen! Die synthetisch hergestellten Materialien, wie Polyester, Polyamid und Polyacryl sind zu vermeiden. Sie haben nicht nur eine furchtbar schlechte CO2-Bilanz, sondern geben auch noch Mikroplastik ab, welches Schäden bei Menschen, Tieren und der Umwelt verursacht – ob nun durch Abrieb beim Wäschevorgang oder wenn das Kleidungsstück irgendwann im Müll landet. Viel besser hingegen schneidet die gute alte Baumwolle ab. Aber Achtung: Achte darauf, dass die genutzte Baumwolle Bio-zertifiziert ist, denn bei der Herstellung von nicht Bio-zertifizierter Baumwolle werden nach Informationen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Unmengen an Wasser verbraucht …

Zum Glück entwickelt sich auch die Modeindustrie ständig weiter und überrascht immer häufiger mit umweltfreundlichen Textilien, wie Hanf, Bambus und auch Lyocell. Mehr über den Einsatz dieser wunderbaren Alternativen erfährst du weiter unten, in unserem Interview mit Rainer, einem lokalen Geschäftsinhaber für nachhaltige und faire Mode.

Weg mit dem Gift!

Der Einsatz von giftigen Chemikalien ist in der Modeproduktion gang und gebe. In so gut wie allen Produktionsprozessen werden sie eingesetzt, um bestimmte Eigenschaften der Textilien zu erreichen oder um Produktionsprozesse zu erleichtern. Angefangen mit der Verwendung von Pestiziden und Herbiziden im Baumwollanbau, um Schädlinge und Unkraut zu bekämpfen. Vor allem Landarbeiter sind unmittelbar von den Konsequenzen betroffen. Weitere gesundheitsschädliche Chemikalien werden in der Textilfärberei und Textilveredelung eingesetzt. Auch bei der Herstellung von Polyester, Nylon und anderen synthetischen Materialien werden viele Chemikalien verwendet, die sowohl während der Produktion als auch als Emissionen im Gebrauch freigesetzt werden können.

Save water, drink …

Champagne – oder wie war das nochmal?! Der immense Wasser- und Energieverbrauch ist nämlich ein weiteres Stichwort, wenn es um die Produktion von Mode geht. Der hohe Wasserverbrauch, aber auch die Wasserverschmutzung durch giftige Chemikalien und andere umweltfeindliche Substanzen sind ein ernstzunehmendes Problem. Abhilfe können neue Technologien leisten: Indem geschlossene Wasserkreislaufsysteme den Wasserverbrauch durch wiederaufbereitetes Wasser drastisch verringern. Fossile Brennstoffe hingegen sind die Übeltäter, wenn es um den erhöhten Energieverbrauch geht. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, wie Solar- oder Windenergie verbessert die Umweltfreundlichkeit der Produktion. Der Einsatz weiterer energieeffizienter Maschinen und Prozesse senkt den Gesamtenergiebedarf und kann erhebliche Einsparungen bewirken.

Faire Arbeitsbedingungen

12.500 Taka (106 €) pro Monat erhalten Textilarbeiter*innen in Bangladesch seit Dezember 2023, laut einer Pressemitteilung der Clean Clothes Campaign Germany. Zuvor betrug der Monatslohn beschämende 8.000 Taka (68 €). Neben dem Hungerslohn sind Beschäftigte giftigen Substanzen wehrlos ausgesetzt – Schutzkleidung Fehlanzeige. Handschuhe & Sicherheitsschuhe müssen sich Arbeiter*innen schon selbst kaufen. Zudem haben die meisten keinen formellen Arbeitsvertrag und haben somit keinen arbeitsrechtlichen Schutz vor nicht absehbaren Kündigungen. Faire Arbeitsbedingungen sehen anders aus.

„Die ganzen Influencer, die ihre Massen an Klamotten in die Kamera halten und es dann nicht einmal mal anziehen – das ist echt bitter!“
Portraitbild von Rainer, dem Geschäftsführer des Modeladen "Hella & Hermann"
Rainer
Inhaber des Modegeschäfts "Hella & Hermann"

Das nachhaltige Mode nicht unmöglich ist, zeigt uns Rainer, Inhaber des Oldenburger Stores „Hella & Hermann“, der sich bereit erklärt, gemeinsam mit uns, den aktuellen Problemen der Bekleidungsindustrie auf den Grund zu gehen. Auch er nimmt den Druck war, der vor allem in der jüngeren Generation dazu führt, dass ständig dem nächsten Fashion-Trend hinterhergejagt werden muss. Den „ethical fashion“ Store, in dem wir ihn interviewen, führt er gemeinsam mit seiner Frau schon viele Jahre. Ihre Mission ist es, einen positiven Beitrag zur Modeindustrie zu leisten, indem sie ausschließlich Produkte anbieten, die unter fairen Bedingungen und aus nachhaltigen Materialien hergestellt werden.

 

“Was sind aus deiner Sicht, die schlimmsten Sünden der herkömmlichen Modeindustrie?”

Rainer: “Zum einen ist es die Überproduktion – einige Anbieter sind dazu in der Lage innerhalb von sechs Wochen immer wieder neue Kollektionen rauszubringen. Das, was am Ende überproduziert ist, wird verbrannt oder gelangt, direkt bevor es überhaupt irgendjemand in der Hand hatte oder angezogen hat, auf den Müll. Das ist unerträglich. Zum anderen ist es die Ausbeutung der Menschen. Viele Nationen sind vollkommen abhängig von der Textilindustrie – im globalen Süden ist es die Lebensgrundlage für die Menschen.”

 

“Was passiert, wenn so weitergeshoppt wird wie bisher?”

Rainer: “Wir spüren es aktuell schon: Die Flutkatastrophe in Spanien, das unfassbare Unwetter in Oldenburg … „Aber wir haben ja keinen Klimawandel.“ Natürlich haben wir ihn – und es liegt an uns, das zurückzudrehen. Die Textilindustrie ist neben der Massentierhaltung auf dem zweiten Platz, was die Umweltverseuchung angeht. Wenn wir so weiter konsumieren wie bisher und den Herstellern das Gefühl geben, wir brauchen das noch und das noch, dann werden die so weitermachen wie bisher und nichts wird sich ändern.”

 

“Wie können wir gegensteuern?”

Rainer: “Natürlich ist es zum einen die Politik, die gegensteuern kann, wenn wir uns als Konsumenten entsprechend verhalten. Zum anderen ist es an uns: Wir müssen zu den alten Werten zurückfinden. Dieser Zwang nach ständiger Veränderung in der Mode kommt ja vor allem durch die sozialen Medien. Die ganzen Influencer, die ihre Massen an Klamotten in die Kamera halten und es dann nicht mal anziehen – das ist echt bitter! Wenn das nicht wäre, hätten vor allem Jugendliche nicht mehr diesen Druck da mitzuhalten und müssten sich nicht andauernd vergleichen … Früher hat man seine Sachen außerdem noch viel länger getragen: Als Kind habe ich meine Winterjacke bestimmt vier Jahre getragen und wenn sie dann ein Loch hatte, hat meine Mama sie geflickt. Es wäre doch cool, wenn man wieder damit anfangen würde Sachen in Stand zu setzen. Was ich den Schulklassen auch immer als Tipp gebe, wenn sie in den Projektwochen hierherkommen: „Tauscht doch mal eure Klamotten untereinander“. Es ist alles im Überfluss da – wir brauchen nichts Neues!”

 

“Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man die Produkte überhaupt als Fair Fashion bezeichnen kann?”

Rainer: “Das Problem in der Textilproduktion ist, dass es noch kein wirklich allgemeingültiges Label gibt, also eine Zertifizierung, die alle Komponenten abdecken würde. Zum einen ist es die nachhaltige Beschaffung, die ein Produkt erst als fair bezeichnen lässt. Zum anderen ist es die faire Produktion. Ein Fair-Trade-Label, was es meiner Meinung nach schon richtig gut macht, ist: MELA. Die produzieren im größten Baumwollanbauland Indien. Alle Schritte bis zum fertigen Kleidungsstück passieren also dort vor Ort. Die Ernte, das Spinnen, Weben, Wirken, Färben, Veredeln und dann macht sich das fertige Produkt auf den Weg nach Kassel, wo es an die Einzelhändler verteilt wird. Anders als im klassischen oder gar Fast Fashion Bereich, wo sich die unterschiedlichen Arbeitsschritte teilweise über den gesamten Globus erstrecken und somit eine Jeans gern mal 50.000 – 60.000 Kilometer zurücklegt, bis sie beim Konsumenten landet.”

 

“Was gibt es an Alternativen zu Baumwolle? Was nutzen eure Brands?”

Rainer: “Solange Baumwolle konventionell angebaut wird, ist sie halt, unter anderem durch den Einsatz von Pestiziden, nicht gerade nachhaltig. Bio-Baumwolle ist hingegen echt umweltfreundlich im Anbau. Weitere nachhaltige Textilien sind Lyocell und Lenzing-Viskose, deren Fasern werden ebenfalls aus Pflanzenresten hergestellt, benötigen allerding viel weniger Wasser in der Produktion. Großartig ist außerdem Cupro, früher Kupferseide genannt, da sich die dort eingesetzten Filamente in einem geschlossenen Kreislauf bewegen. Heißt, man könnte ein Kleidungsstück aus Cupro nach dem Tragen einfach irgendwo in den Wald schmeißen und dann wäre es ein halbes Jahr später verschwunden – das ist halt geil. Eine fantastische Pflanze, die noch total unterschätzt ist, die einiges hätte verhindern können und noch verhindern kann, ist Hanf.”

 

“Viele große Unternehmen werben mit nachhaltigen Angeboten: ob es Bio-Baumwolle von C&A ist, langlebige Maßhemden von H&M oder Secondhand auf Zalando. Sind das wichtige Schritte in Richtung nachhaltige Modebranche – oder geht es um Greenwashing?”

Rainer: “Anfangs war es ganz bestimmt Greenwashing, mittlerweile merkt man die Macht der Konsumenten dahinter. Die großen Konzerne haben bei der schnellen Umsetzung allerdings enorme Schwierigkeiten. Dadurch kommt es dazu, dass die Unternehmen teils nachhaltige Textilien verwenden und dann wiederum nicht – das ist am Ende schon wieder ein Stück Greenwashing, weil es einfach inkonsequent ist. Wenn man schon mal damit anfängt, dann soll man es auch vollumfänglich machen.”

 

“Wie könnte – und sollte – die Fashion Industrie deiner Meinung nach in zehn Jahren aussehen?”

Rainer: “Ich habe den Traum, dass egal aus welchem Geschäft man hier in der Stadt herauskommt – das, was in der Tüte ist, ist fair. Keine Ausbeutung von Mensch oder Umwelt. Ich weiß nicht, ob es in 10 Jahren zu schaffen ist. In 50 Jahren wäre es zu spät. Aber ich bin optimistisch: Wir können eine Veränderung in der Fashion Industrie erreichen, wenn wir als Konsumenten Druck machen – durch Konsumverzicht.”

"Insbesondere das Interview mit Rainer, dem Inhaber des Modegeschäfts "Hella & Hermann", hat mich nachhaltig beschäftigt ... Warum kaufen wir weiterhin diese Massen an Klamotten? Das braucht doch kein Mensch! Und warum entscheiden wir uns zur Abwechslung nicht mal für die nachhaltige Alternative aus ressourcenschonenden Materialien?"
Portraitbild von Antonia, Verfasserin des Textes der Gruppe "Sustainable Slay"
Antonia
Dein Team von Sustainable Slay