Von Jette Blecker und Pauline Wenger
aus dem Modul Journalistische Grundlagen 2
Sie sitzen in der nachmittäglichen Sonne vor dem Hauptgebäude der Jade Hochschule. Es sind die ersten richtig warmen Tage des Jahres, doch so hoch wie in ihrer Heimat Brasilien sind die Temperaturen noch lange nicht. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit läuft dort allen an einem normalen Tag der Schweiß in Perlen von der Stirn, erzählen sie.
Lívia Ribeiro Lima und Mariana Barude Pina sind ein Paar. Die beiden 22-Jährigen kommen aus der Stadt Santa Rita do Sapucaí. Seit Februar 2024 wohnen sie gemeinsam mit vier weiteren internationalen Studierenden in einer Wohngemeinschaft in Wilhelmshaven. Sie studieren Projektingenieurwesen an der Jade Hochschule. Lívia und Mariana nehmen in ihrer Heimat Inatel an einem Programm ihrer Universität teil, was ihnen ermöglicht, nach ihrem Studium einen deutschen und einen brasilianischen Abschluss zu absolvieren.
Auf dem Weg zum doppelten Abschluss
Für das Studium in Deutschland haben sie sich aber nicht nur wegen des doppelten Abschlusses entschieden. Beide machen im Interview deutlich, dass sie unbedingt die deutsche Sprache beherrschen wollen. „Mein Ziel ist es, im Alltag gutes Deutsch zu sprechen und so viel wie möglich zu verstehen“, erklärt Mariana. Dafür reicht ein Jahr nicht aus. Um also die Universität mit doppeltem Abschluss beenden zu können und die Sprache zu beherrschen, werden die beiden für zwei oder sogar drei Jahre an der Jade Hochschule studieren. Seit März besuchen sie regelmäßig Deutschkurse, um in Zukunft auch an deutschsprachigen Vorlesungen teilnehmen zu können.
Mariana und Lívia wollten beide schon immer im Ausland studieren. Als sie dann feststellten, dass ihr gemeinsamer Favorit Deutschland ist und ihre Universität ein neues Programm mit doppeltem Abschluss anbietet, war die Entscheidung, gemeinsam an der Jade Hochschule zu studieren, schnell getroffen.
Weil das Programm relativ neu an der Universität Inatel ist und dort noch viele Unsicherheiten herrschen, haben Lívia und Mariana einige Informationen spät oder gar nicht erhalten. Erst in Deutschland sortierte alles Schritt für Schritt.
In Wilhelmshaven angekommen war dann aber alles besser als erwartet: „Naja, wir haben alle das Bild von strengen Deutschen im Kopf“, sagt Mariana. Aber alle waren netter als gedacht und vor allem sehr hilfsbereit. Das hat die Studentinnen total überrascht. Insbesondere die Kommunikation auf Englisch lief bisher immer sehr gut. Ob in der Mensa, in der Kommunikation mit den Dozierenden oder den anderen Studierenden. Vorher dachten beide, dass Deutsche ungern andere Sprachen sprechen würden.
Eine weitere Überraschung folgte im Februar: Es war kalt. „Wir haben keine vier Jahreszeiten in Brasilien. Es ist heiß oder zu heiß“, verdeutlicht Lívia. Da die beiden in ihrer Heimat so nah am Äquator leben, nur zwei Stunden von São Paulo entfernt, liegen die Temperaturen das ganze Jahr über bei 30 bis 35 Grad. Der größte Unterschied liegt aber darin, dass es in Brasilien keine kühlen Rückzugsorte gibt. Drinnen ist es genauso heiß wie draußen. Außerdem sei es merkwürdig einen ganzen Tag nur Wolken zu sehen. In Brasilien gibt es nur klaren Himmel.
Große Unterschiede auch im Unileben
Auch das Unileben ist anders. Wenn Studierende in Inatel nicht zu den Vorlesungen gehen, fallen sie durch. An der Jade Hochschule gibt es keine Anwesenheitspflicht. Ob die Studierenden Vorlesungen und Seminare besuchen bleibt ihnen selbst überlassen. Zudem finden Lívia und Mariana das deutsche Notensystem total verwirrend. In ihrer Heimat wird von 0 bis 100 Punkten bewertet. 100 Punkte ist hier die beste Note.
Das deutsche System von Note 1 bis 5 finden Sie verwirrend, vor allem weil 5 die schlechteste Note ist. In Brasilien müssen alle Schüler und Schülerinnen nach ihrem Abschluss einen Test machen, um einem Studium zugelassen zu werden. Dabei können bis zu 1000 Punkte erreicht werden. Mit mehr als 930 von 1000 Punkten kann das Studium begonnen werden, die Noten davor sind dabei total egal.
Mariana und Lívia freuen sich sehr auf die weitere Zeit an der Jade Hochschule. Trotz großer kultureller Unterschiede zeigen die Brasilianerinnen, dass ein Studium fernab der Heimat möglich ist. Vielleicht begegnen wir ihnen auf ihrem Weg noch einmal.
Anmerkungen der Redaktion:
Alle Zitate wurden vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
Der Beitrag ist im Sommersemester 2024 entstanden.
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