Valois: Ein Name, der die Wilhelmshavener Innenstadt prägt. Aber wer steckt dahinter?

Von Lena Danielzik und Kim Goldenstein

aus dem Modul Journalistische Grundlagen 2

Als Kommandant auf der Corvette Victoria setzte er 1881 deutsche Interessen in Liberia durch und dennoch ziert sein Name heute noch immer einen wichtigen Treffpunkt und eine Straße mitten in der Innenstadt. Victor Valois – ein Überbleibsel einer Geschichte, die heute mehr denn je kritisch beäugt werden sollte. Wie kommt es, dass der Name Valois sich bis heute gehalten hat? 

Straßenschild des Valoisplatz
Straßenschild des Valoisplatz

Vor der Nordseepassage auf dem Valoisplatz steht Jahr für Jahr der Weihnachtsmarkt. Mit Glühwein und Keksen tummeln sich die Menschen dann rund um die Pyramide, wo warme Getränke ausgeschenkt werden. Im Hintergrund erklingen sanfte, weihnachtliche Melodien und der Geruch frisch gebackener Leckereien schwebt in der Luft. Es ist ein Ort der Begegnung, der über die Stadtgrenzen hinauszustrahlen scheint. Doch das Strahlen wirft einen Schatten, der für die meisten bisher nicht erkennbar gewesen ist.  

Die Benennung zum Valoisplatz erfolgte durch Beschluss des Stadtrats Wilhelmshaven am 15. Mai 1996. Die Benennung geht demnach auf Victor Valois zurück. Doch wer war Victor Valois? Der Namensgeber wurde am 14. August 1841 in Preußisch Holland in Ostpreußen geboren. Valois hatte französische Vorfahren, seine Familie musste allerdings aufgrund ihres protestantischen Glaubens ins ehemalige Preußen fliehen.

Noch vor seinem 16. Lebensjahr trat er in die Marine ein. Er wurde im Berliner Seekadetteninstitut als Kadett-Aspirant aufgenommen. Nach seiner Grundausbildung auf der Korvette „Amazone“ nahm er anschließend auf der Fregatte „Thetis“ an einer dreijährigen Ostasienreise teil. Das war der Beginn seiner steilen Karriere. Bereits 1871 tritt er als Detachementführer zum ersten Mal in Wilhelmshaven auf. 1881 war Valois maßgeblich beteiligt an einer Mission der preußischen Marine auf der ,„Victoria”. Als Korvettenkapitän wurde Valois für einen weiteren Einsatz in Westindien in den Dienst gestellt. Er legte am 16. Juli in Wilhelmshaven ab. Auf dem Weg nach Indien erreichte die „Victoria“ Malta am 1. August und wurde angewiesen, nach Bengasi (im heutigen Libyen) zu reisen, um dort den Schutz und eine finanzielle Entschädigung für den deutschen Entdecker Friedrich Gerhard Rohlfs durchzusetzen. Dieser war zuvor bei seiner Expedition zur Erkundung des nördlichen Kongobeckens angegriffen und zur Umkehr gezwungen worden.

Nach Absolvierung der Marineakademie führte er die Kreuzerfregatte „Gneisenau“ und gehörte damit 1884 bis 1886 zum Ostafrikanischen Kreuzergeschwader. Dies war ein Schiffsverband der kaiserlichen Marine, der seiner Zeit zur Durchsetzung und Sicherung nationaler Interessen im südpazifischen Raum gegründet wurde. Valois fungierte hier als Berichterstatter über das deutsche Schutzgebiet „Witu“. Hierbei handelte es sich um ein afrikanisches Sultanat an der nördlichen Küste des heutigen Kenia. Von 1885 bis 1890 wurde in Witu ein sogenanntes „deutsches Schutzgebiet“, eine deutsche Kolonie errichtet, die später Großbritannien untergestellt wurde. Zwischen Mai 1890 und Februar 1892 hatte er das Kommando über das Kreuzergeschwader, das er 1891 vor die Küste Chiles führte, um den in der Region lebenden Deutschen während des Bürgerkrieges Schutz zu bieten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er ab dem 15. Oktober 1892 Chef der Marinestation der Nordsee in Wilhelmshaven, bevor er am 1. August 1896 in den Ruhestand trat. Zudem war Valois später Mitglied des Kolonialrats und von 1900 bis 1902 geschäftsführender Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft. Diese hatte sich das Ziel gesetzt, „in den Diensten des Vaterlandes die Erkenntnisse von der Notwendigkeit deutscher Kolonien zum Gemeingut des deutschen Volkes zu machen“.

alte schwarz weiß Fotografie von Viktor Valois
Viktor Valois, Quelle: Hans H. Hillebrand, Ernest Henriot: Deutschlands Admirale 1849-1945. Die militärischen Werdegänge der See-, Ingenieur-, Sanitäts-, Waffen-, und Verwaltungsoffiziere im Admiralsrang. Band 1; A-G. Biblio Verlag, Osnabrück 1988, S.484.

Die Umbenennung des damaligen „Bahnhofsvorplatzes“ stand im Zusammenhang mit Neubauvorhaben am westlichen Rand der Fläche. Die Stadt Wilhelmshaven gibt auf Rückfrage an, die Umbenennung sei 1996 mit dem Neubau der anliegenden Technikerkrankenkasse (TKK) am Platz erfolgt. „Die TKK hatte sich finanziell an der Gestaltung des Platzes beteiligt und darum gebeten, den Platz offiziell ,,Valoisplatz” zu benennen”. Bereits vorher wurde die Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch für diesen Bereich westlich der Valoisstraße verwendet. Die Valoisstraße hingegen wurde bereits vor 1950 offiziell nach Valois benannt. Fragwürdig ist deshalb, wieso der Name lediglich angeglichen und in Anbetracht der kolonialgeschichtlichen Hintergründe nicht noch einmal aufgerollt wurde. Die Stadt Wilhelmshaven äußert sich wie folgt: „Eine Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus hat zu diesem Zeitpunkt – also im Jahr 1996 – unserer Aktenlage nach nicht stattgefunden.”

Wilma Nyari, Aktivistin des Dekolonialen Netzwerks Nordwest, ist verärgert über diese Tatsache: „Wie kann man einen Platz im Jahre 1996 in einer modernen Zeit, in der man schon lange mit dem Kolonialismus abgeschlossen hat, beziehungsweise sich über seine Auswirkungen bewusst ist, guten Gewissens eine Straße nach jemandem aus diesem Bereich benennen?“ Es lassen sich zudem keine Informationen über den Namen Valois an dem Platz finden. Ein naheliegender Grund könnte das Wissen über Valois Tätigkeitsbereiche während der Kolonialisierung sein. Möchte man den Namen vielleicht einfach nicht ändern? Oder war es doch unzureichende Recherche über Valois, bevor der Platz nach ihm benannt wurde? Wilma Nyari ist sich sicher: „Das wissen die! Nicht nur Valois, auch Knorrstraße und Bontekai sind kritisch zu betrachten. Aber das zeigt den Geist der Stadt und wie groß ihr Interesse an der Aufarbeitung der Kolonialzeit wirklich ist.“

Valoisplatz

Zum Bontekai haben unsere Studierenden ebenfalls recherchiert. Der Beitrag ist hier zu finden: Bontekai – Die Dinge beim Namen nennen

Mit einem weiteren Beitrag zur Straße „Am Hochschuldorf“, der demnächst erscheint, endet unsere kleine Serie über Straßennamen in Wilhelmshaven.