von Lena Kümmel
Auf ihrer Weltreise erleben Alex und Lovis jede Menge Höhen und Tiefen. Ein Gespräch über alltägliche Hürden, Inklusion und große Träume.
Lena: Das ist bestimmt eine Frage, die ihr öfters hört: Wieso eine Weltreise?
Lovis: Wir waren schon zusammen in vier europäischen Ländern. Zuerst haben wir überlegt, ob wir eine Van-Tour durch Europa machen. Dann dachten wir: Wenn schon, dann einmal richtig rauskommen!
Alex: Wir wollten einmal komplett weg sein. Ich hatte in meinem Auslandssemester die Idee einer Weltreise. Das wollte ich dann unbedingt umsetzen, ich denke einfach gerne groß.
Lovis: Wir haben dann auch überlegt, dass Inklusion ja ein weltweites Thema ist. Zwar sind europäische Kulturen in sich individuell, aber dann doch relativ ähnlich, wenn man es zum Beispiel mit Asien vergleicht. Vor allem auch darin, wie mit dem Thema Inklusion umgegangen wird.
Alex: Im Planungsprozess haben wir dann aus Finanz- und Sicherheitsgründen nochmal überlegt, ob Europa nicht doch erstmal reicht.
Lovis: Wenn man dann das Finanzielle aber mal außen vorlässt, ist die persönliche Hürde eigentlich die größte. Kannst du es dir wirklich vorstellen, aus deiner Komfortzone rauszukommen? Danach ist es eigentlich ziemlich einfach: Du kannst deinen Job einfach kündigen, dir einen Flug buchen und los geht’s! Wir wollten es einfach machen.
Lena: Was ist euer erster Eindruck auf der Reise in Sachen Barrierefreiheit? Wurdet ihr schon positiv überrascht?
Alex: Singapur ist die barrierefreiste Stadt, die ich bisher gesehen habe! Bis auf eine Ausnahme in unserem Hostel hätte ich keine einzige Treppe nutzen müssen.
Lovis: Ich fand in Singapur besonders cool, dass es für Menschen mit einer nicht äußerlich sichtbaren Behinderung, also zum Beispiel für Gehörlose, ein Art Halsband zum Umhängen gab. Die haben dann trotzdem ein Anrecht auf spezielle Plätze, ohne immer darum bitten zu müssen. Das finde ich eine schöne Herangehensweise.
Lena: Wie kann man sich eure Reise als Interabled Duo vorstellen, was sind eure größten Herausforderungen?
Lovis: Es ist schwierig, irgendwo mal so richtig anzukommen. Wir haben auf der Reise ja auch ein bestimmtes Ziel und sind nicht als typische Backpacker unterwegs. Zeit ist für uns ein hohes Gut, denn alleine um von A nach B zu kommen, kann es schonmal sehr lange dauern. Vieles muss gut organisiert sein und wir müssen immer wieder neu unsere Rollen finden: sei es als Freund, Geschäftspartner, Reisebuddy oder Pfleger.
Alex: Ich muss immer gut abwägen, was geht und was nicht geht. Zum Beispiel trage ich auch ab und zu mal einen Rucksack, auch wenn ich das wegen meiner Wirbelsäule nicht sollte. Das Laufen mit den Orthesen ist auch sehr anstrengend und weil Lovis mir viel helfen muss, sind es auch für ihn vermehrt körperliche Anstrengungen.
Lena: Habt ihr einen Moment auf dieser Reise bisher, der euch besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Lovis: Es gibt so viele tolle Sachen am Reisen! Alles Neue ist aufregend und schön. Meistens merkt man erst am Ende einer Station, was man eigentlich alles erlebt hat und was am coolsten war. Ein einschneidendes Erlebnis für mich war, als wir in Istanbul von der Fähre gestiegen sind und das erste Mal asiatischen Boden betreten haben. Es war irgendwie ein symbolischer Moment für diese Reise, wie wir da standen. Ich habe Alex am Arm festgehalten und wusste, wir machen das zusammen. Da habe ich verstanden, dass es jetzt wirklich los geht.
Alex: Mein Highlight sind immer die Interaktionen mit Menschen. Alles, was man sehen und bereisen kann, ist toll und spannend, es sind schöne Orte, doch hinter denen steckt für mich keine emotionale Geschichte. Die Begegnungen mit den Menschen sind für mich das, was die Reise ausmacht. Wir wurden schon so herzlich empfangen, immer wieder wird einem Hilfe angeboten und es ergeben sich tolle Gespräche. Und manchmal kommen die Dinge ganz unverhofft. Wir hatten unsere Reise gerade erst begonnen, waren in der ersten Nacht unserer Weltreise in Istanbul, dann steht da einfach eine alte Schulkameradin vor mir. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert?
Hurdle the World
Alex und Lovis reisen als „Interabled Duo“ durch die Welt – wie sie als Team alle Schwierigkeiten meistern und ihre Botschaft in die Welt tragen.
Lena: Gibt es etwas, das ihr euch als Interabled Duo von anderen Menschen wünscht?
Lovis: Wir haben bisher eine extreme Offenheit anderer Menschen uns gegenüber erlebt. Das würde ich mir für Deutschland auch wünschen. Wir hatten auf unserer Reise bis jetzt auch noch nicht das Gefühl, dass Menschen mit Behinderung nicht mitbedacht wurden, das habe ich zuhause auch oft. Ich wünsche mir, dass, egal welche Hürden eine Person hat, sich alle gegenseitig helfen. Dass es nichts Unnormales gibt, sondern alle so akzeptiert werden, wie sie sind.
Alex: Ich wünsche mir von der Gesellschaft, dass sobald man einen behinderten Menschen sieht, nicht gleich der Gedanke da ist: “Oh, der Arme”. Der kann doch auch ein glückliches Leben führen, ist wahrscheinlich sogar glücklicher als du. Ich möchte wie jeder andere Mensch behandelt werden, nur dass ich eben manchmal die nötige Unterstützung im Alltag brauche – diese Balance hätte ich gerne.
Lovis: Es sollte eine aktive Entscheidung der Gesellschaft sein, alle Menschen zu integrieren. Nicht die Behinderung hindert sie daran, einen Bus zu nehmen, sondern die Lücke. Wenn man sich dafür entscheidet, alles für die breite Masse an Leuten zu gestalten, schließt man Menschen kategorisch aus. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, alle Menschen einzubeziehen.
Lena: Also auch das Aufräumen von Vorurteilen?
Lovis: Unbedingt. Diese stereotypischen Sichtweise, dass Menschen mit Behinderung eh nix können oder das immer nur die eine sabbernde Person im Rollstuhl ist, das finde ich ganz schrecklich. Das wollen wir ändern und zeigen, dass man auch als behinderte Person eine Weltreise machen kann. Wenn wir damit nur an ein paar Leute herankommen, ist mein Ziel erreicht.
Alex: Ich hätte sogar noch ein abstrakteres Ziel, nämlich das keine Leute mehr das Wort “behindert” als Beschimpfung benutzen. Das zeigt nämlich auch, dass behindert sein mit etwas Negativem verbunden wird. Ich mag auch gerne den Ausdruck “physically oder mentally challenged”. Im Alltag habe ich zwar mehr Hürden als andere, aber ich kann mir meine Träume trotzdem erfüllen.
Lena: Danke euch beiden für dieses tolle Gespräch. Viel Freude und Erfolg auf eurer Reise weiterhin!
Lovis: Danke! Wir versuchen, so viel wie möglich zu berichten, während wir unterwegs sind.