Ein Praktikum in den USA

von Lena Kümmel und Jonas Vogelsänger

Ein Erfahrungsbericht aus dem Praxissemester

Schon mit 15 Jahren verbrachte Lena ein Schuljahr in Finnland und seitdem hat es sie immer wieder ins Ausland gezogen. Noch in der Oberstufe machte sie ein dreiwöchiges Praktikum in Finnland und später studierte sie für ein Semester in England. Auch Jonas hat es immer begeistert, ein neues Land, dessen Leute und Kultur kennenzulernen. Für ihn war es immer ein Traum, mal in die USA zu reisen. Im vierten Semester stand für Lena und Jonas das Praxissemester vor der Tür und wurde für beide zu einer Reise an die Ostküste der Vereinigten Staaten.

Praktikumssuche

Lena wusste, dass sie in den journalistischen Bereich gehen wollte und hatte eine besondere Begeisterung für die Fernsehproduktion. Ein Unternehmen im Ausland zu finden, die studentische Praktika für mehrere Monate anbieten, stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Daher bewarb sie sich bei deutschen Fernsehsendern und gab an, an einem Standort in den USA oder Großbritannien arbeiten zu wollen, denn die Landessprache zu können war eine wichtige Voraussetzung. Die Zusage war eine große Portion Glück und es war auch gut, dass sich Lena sehr früh beworben hatte. Und so landete sie beim ZDF-Studio in Washington, D.C.

Etwas anders lief es für Jonas, der sein Praxissemester ebenfalls in den USA verbrachte. Für ihn stand fest, dass er seine Praxisphase in einer Medienabteilung eines Sportvereins absolvieren möchte. Er bewarb sich zuerst nur in Deutschland – doch dann bot sich ihm die Möglichkeit in die USA zu reisen. Die Entscheidung war für ihn ganz klar: Diese Chance wollte er unbedingt wahrnehmen! So führte ihn sein Weg nach Pennsylvania zum Fußballverein Philadelphia Union.

Ein Traum wird wahr

Für beide war das Praktikum sowohl persönlich als auch für ihre Karriere ein großer Gewinn. Jonas hat sich in Philadelphia mit knapp sechs Kolleg*innen um die Social-Media-Kanäle des Vereins gekümmert. Besonders war der nahe Kontakt zur Mannschaft. Oft wurde mit Spielern zusammengearbeitet, um Content zu produzieren. So war neben dem Büro auch der Fußballplatz oft der Arbeitsplatz. Außerdem war Jonas bei den Heimspielen direkt am Spielfeld, um Videos und Fotos aufzunehmen. Auch zu Auswärtsspielen mit der Mannschaft konnte er mitreisen. Dort wurden dann auch Videos und Fotos aufgenommen, die später veröffentlicht wurden.

Beim ZDF in Washington musste sich Lena erstmal an ein sehr eigenständiges Arbeiten gewöhnen, was sie später aber sehr zu schätzen gelernt hat. Sie war selbst verantwortlich für das, was sie aus ihrer Zeit im Praktikum herausholte. Zwar wurden ihr manchmal auch Aufgaben gegeben, aber sie musste meist selbst nach Themen suchen und vorschlagen, wie sie darüber berichten möchte. Lena durfte mit bekannten und erfahrenen Journalisten zusammenarbeiten, die sie vorher nur aus dem Fernsehen kannte. Nur vom Zusehen konnte sie schon wahnsinnig viel lernen. Besonders toll war es dann, als sie auch ihre eigenen Artikel veröffentlichen durfte und am Ende des Praktikums hat sich das lange Warten und Recherchieren nochmal ausgezahlt: Lenas erster eigener Fernsehbeitrag wurde im Morgenmagazin ausgestrahlt.

Deutscher vs. amerikanischer Arbeitgeber

Auch wenn Jonas und Lena beide im journalistischen Bereich und im gleichen Land gearbeitet haben, hätten ihre Erfahrungen kaum unterschiedlicher sein können. Einer der größten Unterschiede ist ganz klar, dass Lena in einem deutschen Unternehmen war und Jonas einen US-amerikanischen Arbeitgeber hatte. Das hatte für ihn Vor- und Nachteile. Er erzählt von einer tollen Arbeitsatmosphäre und Kolleg*innen, mit denen er viel und gerne Zeit verbrachte. Die Stimmung war sehr entspannt und Jonas hat sich nie alleine, sondern immer als Teil des Teams gefühlt. Im Vergleich würde er das deutsche Arbeitsmodell jedoch bevorzugen. Seine Stunden wurden nicht sehr genau vermerkt und es gab nur wenige Urlaubstage. Eine gute Zeit hatte Jonas trotzdem.

Für Lena war es mit einem deutschen Arbeitgeber keine große Umstellung – es war letztlich alles genauso wie bei ihrem vorherigen Praktikum beim ZDF in Mainz. Der Arbeitsalltag war allerdings auf Englisch, denn im Studio arbeiten nicht nur Deutsche sondern auch viele Producer und Kameraleute, die aus den USA oder Lateinamerika kommen. Trotzdem blieb man weiterhin in seiner deutschen „Bubble“. Es war dann eher anders herum: Alle nicht-deutschen Kolleg*innen haben sich an die deutsche Arbeitsweise angepasst, denn man produziert ja auch fürs deutsche Fernsehen. Für Lena war es dadurch jedoch schwierig, die USA aus einer nicht-deutschen Perspektive zu betrachten. Auch amerikanische Freunde zu finden, war für sie in der kurzen Zeit kaum möglich.

Sicherheit und Waffengesetze

Wenn Reiseblogger von USA-Reisen schwärmen oder man sich das Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten vorstellt, wird der Aspekt der Waffengewalt oft außen vorgelassen. Dass sich Lena oft unwohl fühlt, wenn sie im Dunkeln allein durch die Straßen läuft, das kennt sie auch aus Deutschland. Aber dort hat sie sich noch nie darüber Gedanken gemacht, dass jeder, der ihr bei einem Spaziergang oder im Supermarkt entgegenkommt, theoretisch legal eine Waffe bei sich tragen könnte. Das hat Lena anfangs sehr beunruhigt und so ganz weg war dieses Gefühl nie. Denn immer wieder gehen schreckliche Ereignisse um die Welt, die auf sich auf die Waffengesetze zurückführen lassen. Jeder bekam es mit, als im Mai 2022 ein 18-Jähriger in einer Grundschule 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschoss. Die Meinung vieler Politiker und Bürger in den USA ist trotzdem ziemlich eindeutig: Die Waffen bleiben.

Washington, D.C. ist da im Vergleich noch eine ziemlich sichere Stadt. Doch auch dort habe Lena besonders bei einem Drehtermin besonders schlucken müssen. Sie war mit einem Kameramann bei einer Demonstration vor einem Hotel, in dem Donald Trump später eine Rede halten würde. Auf der einen Seite die Demo gegen Trump, auf der anderen die Gegendemo der Trump-Fans. Und Lena stand mittendrin. Zwischen den beiden Menschengruppen lag eine Straße, auf der immer wieder langsam Autos vorbeifuhren, um sich das Spektakel genauer anzusehen. Einmal blieb Lena sehr nah an neben einer verdunkelten Scheibe eines Autos stehen. Der Kameramann, mit dem sie unterwegs war, zog sie direkt zur Seite und sagte ihr, sie solle aufpassen, falls er die Scheibe runtermache, die Menschen hätten hier Waffen. Ihr lief es direkt eiskalt den Rücken herunter. Für den Kameramann gehörte das ein Stück weit zum Arbeitsalltag dazu, gerade auf Demonstrationen besonders auf sich und sein Umfeld zu achten. Lena hingegen war nahezu geschockt davon, weil sie in dem Moment überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet hatte, eventuell in Gefahr zu sein.

Auch Jonas musste einige sehr unschöne Erfahrungen damit machen. Zwar nicht während seiner Arbeitszeit, aber in seiner Freizeit, wenn er in Philadelphia unterwegs war. Die Stadt ist von viel Armut geprägt und man merkt auch eine gewisse Perspektivlosigkeit bei einigen Menschen. In bestimmten Stadtteilen alleine unterwegs zu sein, davon hat Jonas sofort abgeraten. Besonders heikel wurde es für ihn am Independence Day, wo er mit Freunden auf einer großen öffentlichen Veranstaltung war. Was als ausgelassenes Fest startete, endete in einer großen Massenpanik, als Schüsse fielen und die Menge schlagartig flüchtete – Jonas mittendrin.

Würden wir ein Praktikum in den USA empfehlen?

Gegen Ende seines Aufenthalts und kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland spielte Jonas eine Zeit lang mit dem Gedanken, seine berufliche Zukunft nach dem Studium in den USA zu starten. Ein Visum zu bekommen ist jedoch sehr schwierig und die Nähe zu seiner Familie ist ihm sehr wichtig. Ein weiteres Praktikum würde er jedoch jederzeit wieder machen. Es war eine besondere Erfahrung.

Ein wichtiger Punkt, den man bei einem längeren Aufenthalt in den USA beachten muss, sind die Finanzen. Es ist wirklich sehr teuer in diesem Land zu leben und man sollte sich vorher finanziell abgesichert haben. Gerade für ein Praktikum, wo mein kein richtiges Gehalt, sondern eher eine Aufwandsentschädigung bekommt, ist es sehr hilfreich, wenn man sich vorher schon genug angespart hat.

Lena würde auch jederzeit wieder ein Praktikum im Ausland machen, die USA betrachtet sie seit ihrem Aufenthalt jedoch mit anderen Augen. Das ZDF hat ihr ein sehr gutes und sicheres Arbeitsumfeld geboten, daher könnte sie sich durchaus vorstellen, auch mal als Korrespondentin oder Producerin dort zu arbeiten. Sie findet es sehr spannend, über die Umstände in den USA zu berichten, gleichzeitig ist es für sie oft beängstigend zu sehen, wie gespalten das Land ist. Für ein Praktikum in den USA kann Lena es jedem nur empfehlen, sich vorher gut über die eigene Situation im Praktikum zu informieren, über die Stadt, wie und wo man wohnen wird. Grundsätzlich gibt es aber unzählige Möglichkeiten, dort seine Karriere zu starten und es lohnt sich definitiv, das Land mal nicht nur aus der Ferne zu betrachten. Lena und Jonas würden ihr Praktikum dort auf keinen Fall missen wollen.