Wie rechte Parteien ihren Zuspruch fanden
von Lisa Obst und Julian Dak
Die Geschichte rechtsextremer Parteien in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt von wiederkehrenden Wellen politischer und gesellschaftlicher Aktivität. Diese Bewegungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte in verschiedenen Formen manifestiert, von marginalen Gruppierungen bis hin zu signifikanten Kräften im politischen Spektrum Deutschlands. Und auch heute liegt eine Partei ganz klar im Zentrum der Gefährdung unserer deutschen Demokratie: die AfD.
Frühe Nachkriegszeit und die SRP
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die politische Landschaft Deutschlands durch die Alliierten geregelt, was die Neugründung nationalistischer und rechtsextremer Parteien zunächst erschwerte. Trotzdem formierten sich in den 1950er Jahren erste rechtsextreme Parteien wie die Sozialistische Reichspartei (SRP). Durch zahlreiche Probleme der Nachkriegszeit, wie einer zerstörten Infrastruktur oder der politischen Instabilität, sowie durch die Teilung Deutschlands bekam der Rechtsextremismus wieder einen Aufschwung, schreibt der Politikwissenschaftler und Parteienforscher Prof. Dr. Richard Stöss in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. So schaffte es die SRP, 1951 bei den Landtagswahlen in Niedersachsen 11 Prozent der Stimmen zu bekommen. Nach einer Rede des SRP-Politikers und ehemaligen Wehrmachtsgenerals Otto Ernst Remer in Braunschweig, in der er Widerstandskämpfer „Landesverräter“ nannte, kündigte Bundesinnenminister Robert Lehr einen „sofortigen Zugriff“ gegen die SRP an. Lehr argumentierte, dass die SRP sich „durch nichts von der NSDAP“ unterscheide. Ein Jahr später, 1952, wurde die Partei, zu der neben Remer noch weitere ehemalige NSDAP-Mitglieder gehörten, vom Bundesverfassungsgericht verboten. Ausschlaggebend waren auch die Ähnlichkeiten zum Vokabular der NSDAP.
Die Deutsche Reichspartei (DRP), gegründet 1949, vertrat ebenfalls nationalistische und rechtsextreme Positionen, konnte aber nie signifikante Wahlerfolge erziele. Zwischen 1954 und 1964 verringerte sich die Anzahl der organisierten Rechtsextremen um mehr als 70 Prozent.
Die NPD und ihre Rolle in den 1960er bis 1980er Jahren
In den 1960er Jahren entstand die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Sie erlebte in den späten 1960er Jahren einen Aufschwung, als sie in mehrere Landesparlamente einzog. Sie erhielt insgesamt 61 Landtagsmandate und verpasste 1969 den Einzug in den Bundestag nur knapp. Doch trotz ihrer anfänglichen Erfolge konnte die NPD nie die Fünf-Prozent-Hürde auf Bundesebene überschreiten. Begünstigt wurde der Aufstieg der rechten Partei unter anderem durch die Weltwirtschaftskrise 1966/1967. Private und öffentlichen Investitionen gingen zurück, die Zahl der Arbeitslosen stieg. Die Wahlergebnisse von 1969 führten zur sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt: SPD und FDP. Nach der Bundestagswahl zerbrach die NPD, denn es gab heftige Auseinandersetzungen um die künftige programmatische Ausrichtung und Taktik der Partei in der Opposition. In den 1980er Jahren verlor sie an Bedeutung, blieb jedoch ein Symbol für rechtsextreme Politik in Deutschland.
Die 1970er Jahre zeichneten sich durch eine deutliche Zersplitterung des Rechtsextremismus aus, begleitet von einem Anstieg neonazistischer Gewaltbereitschaft und militantem Verhalten. Stöss stellt heraus, dass obwohl die Mitgliederzahlen des organisierten Rechtsextremismus bis 1967 auf 39.000 anstiegen, sie anschließend kontinuierlich bis 1979 auf 17.000 fielen.
Die Republikaner und der Aufstieg des Rechtspopulismus
In den 1980er Jahren waren nahezu alle westeuropäischen Staaten geprägt von den gleichen Problemen: Die Umgestaltung der Gesellschaft, technologischer Fortschritt, stagnierendes Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit, Einschränkungen bei den Sozialleistungen, politische und soziale Veränderungen in Osteuropa, Migrationsbewegungen und damit einhergehende Probleme mit dem Asylrecht, so Stöss. Die Globalisierung und die sich damit veränderten Verhältnisse führten dazu, dass die sozialliberale Koalition zerbrach und eine neue Koalition aus CDU/CSU und FDP entstand. Zeitgleich gründeten sich die Republikaner (REP). Sie waren weniger offen extremistisch als die NPD und konnten so breitere Wählerschichten ansprechen. Ihre Hauptthemen waren Anti-Immigration und Nationalismus, was ihnen in den 1990er Jahren zu einigen Erfolgen bei Landtagswahlen verhalf. Aber auch schon in den späten 80er Jahren schafften sie es sowohl in Berlin als auch bei der Europawahl, über 7 Prozent der Stimmen zu bekommen. Das schafften die NPD und DVU, trotz Zusammenarbeit im gleichen Zeitraum, nicht.
Auch in den 90er Jahren galten die Republikaner als die wohl wichtigste Partei des rechten Segments. Zu ihren größten Wahlerfolgen zählten die Landtagswahlen in Baden-Württemberg 1992 und 1996 mit 10,9 und 9,1 Prozent. Obwohl die REP sogar 1990 6 Sitze bei den Münchner Stadtratswahlen holten, schafften sie es nie, in den Bundestag oder den bayerischen Landtag einzuziehen. Seit 1992 stand die Partei 13 Jahre unter Beobachtung des Bundesver-fassungsschutzes. Die REP hatte seit Mitte der 90er nicht nur mit Mitgliederverlusten zu kämpfen, sondern wurde 2005 offiziell als rechtsextremistisch eingestuft.
Die DVU und die 1990er Jahre
Da sich in den 80er Jahren die Unzufriedenheit mit den Arbeits- und Lebensbedingungen wuchs, bot sich für rechtsextremistische Parteien ein neuer Nährboden. Besonders in der DDR nahm laut dem Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Fabian Virchow die Anzahl an rechten Gewalt- und Straftaten erheblich zu. Als Ende 1989 die Mauer fällt, finden neonazistische Gruppierungen, durch Ausbreitungen zwischen Jugendlichen, immer mehr junge Anhänger.
Die Deutsche Volksunion (DVU) war in den 1990er Jahren besonders aktiv. Zwar war die DVU in den 70ern zunächst als Verein gegründet worden, um unzufriedene NPD-Wähler abzufangen, etablierte sich dann jedoch Ende der 80er als eigenständige Partei. Obwohl die NPD und die DVU auf der gleichen Seite standen, war das Verhältnis der Parteien immer von Rivalität geprägt. Ausnahmen waren Wahlabsprachen wie im Jahr 2004 mit dem „Deutschlandpakt“. Die DVU erzielte einige Wahlerfolge, insbesondere in den neuen Bundesländern. In Sachsen-Anhalt schaffte sie es 12,9 Prozent der Wähler*innen für sich zu gewinnen, was für damalige Verhältnisse das beste Ergebnis einer rechten Partei war. Als 2004 jedoch die NPD in zwei Landtage einzog, verschmolzen beide Parteien 2010 zu einer. Denn die DVU kämpfte schon länger mit internen Konflikten und mangelnder organisatorischer Struktur und konnte sich daher nicht dauerhaft eigenständig etablieren.
Aufstieg der AfD
Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) wurde 2013 gegründet und markiert einen signifikanten Wendepunkt in der Geschichte rechtsextremer Parteien in Deutschland. Aktuell ist sie mit 77 Sitzen im Deutschen Bundestag vertreten. Ihre Präsenz hat die politische Landschaft Deutschlands verändert, insbesondere durch die Verschiebung der Diskurse über Migration und nationale Identität.
2013 ursprünglich als eurokritische und marktliberale Partei gegründet, verschob sich ihr Fokus schnell hin zu Themen wie Anti-Immigration und Islamkritik. Im selben Jahr gab es bereits einige innerparteiliche Konflikte, was zu Mitgliederausstiegen und -abspaltungen führte. Vor allem die Fragen nach der Selbstpositionierung der Partei führte zu Streitpunkten. Es kam sogar zu einer Neubildung einer Partei, der ALFA, von alten Mitgliedern der AfD. Die Flüchtlingskrise 2015/2016 war ein Auslöser für ihren Aufstieg, und sie konnte sich als feste Größe im deutschen Parteiensystem etablieren. Wie das Statistische Landesamt Baden-Württemberg zeigt, erzielte die AfD 2016 ein herausstechendes Wahlergebnis von 15,1 Prozent in Baden-Württemberg und wurde somit drittstärkste Partei im Parlament.
Höcke, der „Flügel“ und einige Skandale
Ein Jahr später kam es erneut zu Problemen innerhalb der Partei. Björn Höcke sollte wegen seiner Neigung zur Ideologie des Nationalsozialismus vollständig aus der Partei ausgeschlossen werden. Es gründete sich sogar die „Alternative Mitte“ innerhalb der AfD, die sich bewusst von den extremistischen Absichten der von Höcke gegründeten Gruppierung „Flügel“ abgrenzte. Trotzdem wurde Höcke nicht aus der Partei ausgeschlossen.
2017 wurde die AfD die drittgrößte gewählte Partei im Bundestag und somit offiziell die größte Oppositionsfraktion. 2021 war sie in Sachsen und Thüringen mit jeweils deutlich über 20 Prozent sogar die stärkste Partei bei den Bundestagswahlen.
In den letzten Jahren stand die Partei unter mehreren Skandalen, was Besorgnis in der Bevölkerung um das Bestehen der Demokratie erregt. So gab es einige Schlagzeilen durch rechtsextremistische Äußerungen wie „Denkmal der Schande“, was sich auf die Holocaust-Gedenkstätte in Berlin bezieht. Das Recherchenetzwerk „Correctiv“ deckte des Weiteren ein Geheimtreffen in Potsdam auf, bei dem unter anderem mehrere Politiker der AfD die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland planten. Darunter zum Beispiel ein persönlicher Mitarbeiter von Alice Weidel, Roland Hartwig. Aber auch enge Kontakte des Spitzen-kandidaten Krah nach Russland und China führten zu Diskussionen und schließlich zu seinem Rücktritt von der Europawahl in diesem Jahr. Seit Mai 2024 wird die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.
Die Geschichte rechtsextremer Parteien in Deutschland seit 1945 zeigt ein wiederkehrendes Muster: In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, sozialer Umbrüche und Migrationsbewegungen gewinnen sie an Zulauf, indem sie Ängste schüren. Allerdings konnten die meisten dieser Parteien, wie die SRP, NPD, Republikaner oder DVU, nur vorübergehende Wahlerfolge erzielen und blieben letztlich Randerscheinungen, die sich nie über einen längeren Zeitraum durchsetzen konnten.
Die AfD stellt hingegen eine neue Dimension dar. Seit ihrer Gründung 2013 hat sie sich zur größten Oppositionspartei im Bundestag entwickelt und in einigen Bundesländern sogar Stimmenanteile von über 20 Prozent erreicht. Ihre Präsenz hat die politische Landschaft nachhaltig verändert und zeigt, wie sich rechtsextreme Ideologien an veränderte politische und gesellschaftliche Kontexte anpassen können.
Obwohl die AfD offiziell als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet wird, bleibt sie eine feste Größe im Parteiensystem. Skandale wie das Treffen in Potsdam oder rechtsextreme Äußerungen von Parteimitgliedern haben ihren Aufstieg bisher nicht gebremst. Die Gefahr einer weiteren Radikalisierung und Normalisierung rechtsextremer Ideologien in Deutschland bleibt real. Es liegt an einer wachsamen Zivilgesellschaft und den anderen demokratischen Kräften, dieser Entwicklung entschlossen entgegenzutreten, zu reagieren und Strategien zu entwickeln, um die Grundwerte der Verfassung zu schützen.