von Anton Schillo
Die Rangliste der Pressefreiheit und die jeweilige Platzierung eines Landes bringt immer wieder Überraschungen, Kehrtwenden, Verschlechterungen und Verbesserungen mit sich. Seit dem Jahr 2002 veröffentlicht die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ jährlich in einem Zeitraum von Februar bis Mai eine detaillierte Analyse, inklusive einer Rangliste, über die Pressefreiheit in 180 Ländern auf der Welt. Dabei spielen Faktoren wie Inhaftierung von Journalistinnen und Journalisten, die Demonstrationskulturen einzelner Länder, Übergriffe im Bereich von Wahlen und politischen Veranstaltungen sowie vieles mehr eine Rolle. Auch mit den Ländern in Europa geht die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ hart ins Gericht. Und so ist dabei auch das deutsche Nachbarland Frankreich über die letzten Jahre nicht immer gut weggekommen.
Mit der Veröffentlichung der Rangliste über die Pressefreiheit der einzelnen Länder war Frankreich bisher eines der Länder, die aufatmen konnten. Im neusten Ranking belegt Frankreich den 21. Platz mit 78,65 Punkten. Beleuchtet man die letzten zehn Jahre und die dementsprechenden jährlichen Pressefreiheit-Rankings, hat sich die Situation in Frankreich verbessert. Im vergangenen Jahr 2023 belegten sie den 24. Platz mit 78,72 Punkten und 2022 Platz 34 mit 22,60 Punkten. Seit des Rankings aus dem Jahr 2022 wird jedoch die Analyse in einem anderen Punktesystem als noch die letzten zehn Jahre davor berechnet.
Tiefpunkt Frankreichs
Den besten Platz belegte Frankreich im ersten Jahr des Rankings, 2002 mit dem elften Platz. In der gesamten Erscheinungszeit der Rangliste, darin eingeschlossen auch in den letzten zehn Jahren, war der bisherige Tiefpunkt Frankreichs im Jahr 2016 mit Platz 45. Laut Reporter ohne Grenzen wurden in diesem Jahr weltweit 110 Journalisten getötet. Davon starben 67 aufgrund ihrer Arbeit. Neben dem Irak, Syrien und dem Jemen gehörte damals auch Frankreich zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten. Grund dafür ist: Die Rangliste analysiert immer das vorige Jahr, also in dem Falle nicht das Jahr 2016, sondern das Jahr 2015. 2015 gab es Anfang Januar den islamistisch motivierten Terroranschlag in Paris, auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Unter den damals zwölf getöteten Menschen befanden sich acht Mitarbeitende der Zeitschrift. Schon im Jahr 2011 gab es einen Brandanschlag auf das Gebäude der Zeitschrift, bei dem es jedoch keine Todesopfer gab.
Nur augenscheinliche Verbesserung
Seit dieser schlechten Platzierung im Ranking der Pressefreiheit im Jahr 2016, geht es für Frankreich wieder bergauf. Mit dem Amtsantritt des Präsidenten Emmanuel Macron im Mai 2017 verbesserte sich die Lage stetig. Frankreich stieg im Ranking auf, was jedoch kein reiner Eigenverdienst war. Frankreich belegt in den letzten Jahren immer bessere Plätze, wird jedoch bei den gesamt gesammelten Punkten schlechter. Das spricht dafür, dass die Situation in anderen Ländern weltweit noch schlechter wird. Frankreich kann also trotz niedriger Punktzahl bessere Plätze verbuchen als in den vorigen Jahre: „Mit einer etwas niedrigeren Punktzahl ist der Aufstieg Frankreichs in der Rangliste nur auf den Rückfall anderer Länder zurückzuführen“, so die Pressereferentin Katharina Viktoria Weiß von Reporter ohne Grenzen. Mit der Veröffentlichung des Rankings aus diesem Jahr, 2024, belegt Frankreich mit Platz 21 den besten der vergangenen zehn Jahren. Für eine noch bessere Platzierung reicht es nicht, da 2018 und 2019 vereinzelt Journalistinnen und Journalisten bei Demonstrationen, wie den Protesten der „Gelbwesten“, vereinzelt beleidigt und bedroht wurden oder gar Gewalt erfahren mussten. Das wiederholte sich in den Jahren 2020 mit den Protesten gegen das damalige neue Sicherheitsgesetz und im Jahr 2023 mit Protesten gegen die Rentenreform.
Wann kommt Besserung?
Ob in den nächsten Jahren mit etwaigen Verbesserungen zu rechnen ist, ist unklar. Beispielsweise könnte die in drei Jahren anstehende Präsidentschaftswahl, bei der der jetzige Präsident Emmanuel Macron von der Partei „Renaissance“ nicht mehr antreten darf, für weitere Aufruhr sorgen. Seine bisher ärgste Konkurrentin Marine Le Pen von der rechtsgerichteten Partei „Rassemblement National“ hatte ihm bereits im Jahr 2017 in der Stichwahl herausgefordert und nur knapp verloren. Ihr Wahlprogramm in der Vergangenheit stand für mehr Arbeitsplätze für Franzosen und weniger für Immigrierte, sowie für einen Austritt aus der Europäischen Union. Betrachtet man die Folgen eines Brexits in Großbritannien, könnte dies erhebliche Probleme und folgende Protestaktionen mit sich bringen. „Ich würde sagen, dass sich die Situation der Pressefreiheit in Frankreich in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert hat, aufgrund von Gewalttaten bei Demonstrationen oder Unruhen in den Städten und Frankreich muss zwingend daran etwas die nächsten Jahre drastisch verändert, damit es keinen weiteren Abfall gibt“, so die Pressereferentin.
Unterscheidung der Pressefreiheit zu Deutschland
„Im Vergleich zu Deutschland gibt es in Frankreich viel mehr Übergriffe gegen Journalisten durch die Polizei bei Demonstrationen“, sagt die Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich ein Pressegesetz, welches seit dem 29. Juli 1881 greift. Die wichtigsten Kontroll- und Aufsichtsorgane sind die für Medien zuständigen Parlamentsausschüsse. Deutschland wiederum orientiert sich hingegen dem Prinzip der Staatsferne. Die Presse wird in Deutschland, anders als in Frankreich, ohne ein festes Gesetz reguliert, dafür vom deutschen Presserat. Dieser gilt als ein eigenständiges Selbstregulierungsgremium. Dabei besteht der Presserat aus den beiden großen deutschen Verleger- und Journalistenverbänden, dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), dem Medienverband der freien Presse (MVFP), dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) sowie der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). Wie die Presse wird auch der Rundfunk staatsfern beaufsichtigt. Dafür zuständig sind die Medienanstalten. „Medien sind in Deutschland Ländersache, was in Frankreich wiederum undenkbar wäre“, so Weiß.