Wie Fußball von Freizeitaktivität zu Hochleistungssport wird

von Hanno Reuter

aus dem Modul "SP1 Journalismus"

In Deutschland träumen unzählige junge Spieler von einer Karriere im Fußball, doch der Weg vom Freizeitkick zum Profi ist steinig und erfordert nicht nur Talent, sondern auch ein starkes Netzwerk und oft ein wenig Glück.

Was entscheidet wer es bis an die Spitze schafft?

Hunderttausende Juniorenspieler in Vereinen aktiv – wer schafft es bis an die Spitze?

Es ist Sonntagmorgen. Die Kinder des Fußball- und Handballvereins wachen aufgeregt auf und können es kaum abwarten, auf dem Spielfeld alles zu geben. Doch dann kommt die bittere Nachricht aufs Handy der Eltern. Das Spiel muss abgesagt werden, weil kein Schiedsrichtergespann zustande gekommen ist. Das Spiel fällt aus und wird auf einen ungewissen Termin in die Zukunft verschoben.

Ohne Jugendarbeit kein Seniorenfußball

Auch wenn es gerade bei jungen Spielerinnen und Spielern zu Beginn um den Spaß an der Bewegung und dem Miteinander gehen sollte, rückt der Leistungsgedanke schnell in den Fokus. Seien es die Eltern, die ihre Kinder von der Seitenlinie anfeuern oder das sonstige soziale Umfeld der Kinder, in dem man sich gerne miteinander vergleicht. Alle wollen nach oben – doch nicht jeder Verein kann auf Dauer vielversprechende Talente halten. Ein Beispiel dafür ist der Wilhelmshavener Sport-Club Frisia. Der Fußballverein an der Nordseeküste hat über 400 Aktive in ihrer Jugendabteilung – den Sprung in höherklassige Ligen schaffen hier allerdings nur wenige. „Wir sind einfach ein Breitensportverein. Wir wollen auch auf Leistung gehen, aber die Hauptaufgabe bei uns ist es, möglichst viele Aktive im Verein zu haben und ihnen Fußball als Hobby nahzubringen,“ sagt Torben Schlapkohl, Jugendabteilungsleiter beim WSC.

Bild einer Jugendfußballmanschaft auf dem Rasen sitzend
Philipp Ropers erklärt den U7-Spielern des MTV Diessen das Fußball-ABC (Symbolbild von Toni Wolf)

Und was passiert, wenn dann doch mal ein Jugendspieler auf einem Turnier oder einem Spiel von einem Scout gesichtet wird? „Da gibt es klare Regularien. Der höherklassige Verein fragt bei uns offiziell an, ob sie den Spieler zu einem Probetraining einladen dürfen. Da legen wir den Spielern auch keine Steine in den Weg, im Gegenteil, wir freuen uns, dass sie höherklassig auflaufen und dass wir wissen, wo sie mal ihre Schuhe geschnürt haben“, legt Schlappkohl die Herangehensweise offen. 

Neben Trainingseinsatz und einer Portion Glück spielt auch die Region eine entscheidende Rolle. So verliere der WSC Frisia laut Schlapkohl oft Spielerinnen und Spieler, weil sie ausbildungs- oder studienbedingt Wilhelmshaven verlassen. Die Situation im Jugendbereich wirkt sich früher oder später auch auf die Mannschaften im Herren- und Frauenbereich aus, ein Umstand den auch Schlapkohl bei seinem Verein sieht: „Wir versuchen mit lokalen Talenten zu arbeiten und nicht, querbeet durch Deutschland Spieler zu holen. Man merkt aber schon, dass wir kein Ober- oder Landesliganiveau haben, wenn wir uns nur auf Talente in der Region konzentrieren. Da müsstest du wirklich Spieler von weiter weg holen, das bedeutet aber auch, dass du als Verein gewissermaßen Identität verlierst, indem du sagst, du kaufst dir deine erste Herren.“ Zwar stellt der Klub gerade im B- und A-Junioren Bereich auch Mannschaften in höherklassigen Ligen, jedoch muss ein Verein das Niveau möglichst gleichmäßig in allen Altersklassen halten, da Spieler aus einer Jugend nach zwei Jahren in die nächsthöhere gehen. „Es wächst von unten nichts nach, machen wir uns nichts vor. Die jetzige A – Jugend steigt wahrscheinlich in die Landesliga auf, doch viele ziehen wegen Arbeit oder Studium weg, da bleibt uns auch nicht viel über. Von denen, die bleiben sind vielleicht zwei oder drei auf dem Niveau, dass sie auch direkt im Herrenbereich Fuß fassen können, auf der Basis kannst du aber keinen Kader abstellen,“ fasst Schlapkohl zusammen.

Wie der DFB junge Talente fördert

Um Amateurvereinen bei der Förderung von jungen Talenten unter die Arme zu greifen, wurden zur Saison 2002/2003 die DFB – Stützpunkte implementiert. Aktuell gibt es 366 Stützpunkte in ganz Deutschland. Die laut DFB „Eliteschulen des Fußballs“ sollen Kindern ab der U11 ein zusätzliches Training in der Woche auf einem erhöhten Niveau im Vergleich zum normalen Vereinstraining bieten. Der Deutsche Fußball Bund will laut eigener Aussage jedes Talent individuell fördern. Ob das in der Praxis auch immer so funktioniert, sei mal dahingestellt. Für den Großteil der Talente in den Stützpunkten des DFB oder den vereinseigenen Nachwuchsleistungszentren platzt der Profitraum irgendwann. Je nach Statistik schaffen es nur etwa 2 bis 3,5 Prozent der Jugendspieler später in den bezahlten Fußball. So ging es auch Jonas Müller, dessen echter Name auf eigenen Wunsch nicht genannt wird. In der E-Jugend wurde er nach guten Leistungen auf Vereinsebene zur Sichtung des DFB eingeladen. „Ich war da über einen Zeitraum von circa drei Wochen mit viermal die Woche Training und mein Vater hat mich dort hingefahren. Es war aber nur eine Vorauswahl wo geguckt wurde, welche Spieler dann im Stützpunkt bleiben. Das Training war schwer und ich war da ziemlich überfordert. Mein Vater hat dann damals ein Anruf bekommen, dass ich dort nicht weiter hinmuss und dann war ich weiter bei meiner alten Mannschaft.“

Von den Jugendmannschaften ins Rampenlicht

Neben den DFB-Stützpunkten ist das Nachwuchsleistungszentrum, kurz: NLZ, der gängigste Weg für junge Talente um es später mal in den Kader einer Lizenzliga, also in die erste und zweite Bundesliga, der dritten Liga oder der Regionalliga zu schaffen. Insgesamt 58 Nachwuchsleistungszentren gibt es in Deutschland, alle 36 Mannschaften der ersten und zweiten Bundesliga haben eins, dazu kommen 14 in der dritten Liga und acht Nachwuchsleistungszentren in der Regionalliga. Ziel ist es, Talente früh zu formen und im besten Fall später in den Profikader zu integrieren. Der Weg dahin ist für die jungen Spieler jedoch ein langer und ist zudem mit viel Verzicht verbunden: So müssen junge Spieler für das Leben in einem Fußballinternat früh ihr Elternhaus verlassen, neben dem täglichen Training sind auch die Wochenenden vom Fußball bestimmt. Je höher man spielt, desto länger werden zudem auch die Auswärtsfahrten, was zusätzlich viel Zeit in Anspruch nimmt. 

Trotz des enormen Aufwands schaffen es pro Jahrgang nur ein sehr kleiner Prozentsatz in die erste und zweite Bundesliga. Das Gefühl oder zumindest die Angst des Scheiterns begleitet die Fußballer in den Nachwuchsleistungszentren, weshalb der Deutsche Fußball Bund im Jahr 2018 alle zertifizierten Nachwuchsleistungszentren dazu verpflichtet hat, mit Sportpsychologen zusammenzuarbeiten. Gerade im Männerbereich sind Thematiken rund um mentale Probleme aber weiterhin ein Thema, was gerne unter den Tisch gekehrt wird, auch von den Spielern selbst. Die großen Vereine mit eigenen Nachwuchsleistungszentren wissen um diesen Umstand, so hat der Berliner Klub Hertha BSC neben zwei Sportpsychologinnen auch mehrere Pädagogen im Team, die sich um die Belange der Spieler auch außerhalb des Platzes kümmern und als Ansprechpartner für Hilfesuchende fungieren. Nur eine kleine Zahl der Nachwuchsfußballer in den Nachwuchsleistungszentren schafft es später mal zum Vollzeitfußballer, weswegen auch die schulische Bildung nicht zu kurz kommen darf, was auch aus einem Online-Beitrag des Rundfunk Berlin-Brandenburg, kurz rbb, hervorgeht. Viele junge Herthaner besuchen die Poelchau-Schule, eine Sportschule im Olympiapark und vom Deutschen Olympischen Sport Bund und Deutschem Fußball Bund zertifizierte Eliteschule des Sports und Eliteschule des Fußballs. Ziel solcher Sportschulen ist es, die schulische Bildung an, die im Vergleich zu Freizeitsportlern erhöhte, Trainingsbelastung- und Intensität anzupassen und ihre Schülerinnen und Schüler möglichst bis zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife zu begleiten.

Oftmals kommt der Druck, den großen Durchbruch zu schaffen aber auch von der eigenen Familie. Die zuständigen Ansprechpartner in den Vereinen können nur einen Weg aufzeigen. Alles auf die Karte Profifußballer zu setzen, ist aber mit hohen Risiken verbunden.

Fußballer oder Fußballerin als Berufsbezeichnung bleibt also nur einer kleinen Gruppierung der Aktiven vorbehalten. Was aber für alle bleibt, ist die Leidenschaft am Fußball, der man in vielen Breitensportvereinen leistungsgerecht nachkommen kann.