Wie Jever seinen letzten Juden demütigt

von Gina Janssen

„Dich haben Sie vergessen zu vergasen“. Sätze, die sich Fritz Levy mehr als einmal anhören muss. Er wird auf dem Wochenmarkt in Jever von den Marktfrauen beschimpft und gedemütigt. Auch Beleidigungen wie „du dreckiger Jude“ sind laut Pastor a.D. Volker Landig für Fritz Levy keine Seltenheit. Einmal verfasst eine Dame einen Leserbrief über Levy. Sie regt sich darüber auf, dass Levy sein Tier, ein Esel oder eine Ziege, darüber sind sich die Zeitzeugen uneinig, an einem Baum auf dem Kirchplatz festbindet. „Das man sich über so was überhaupt aufregen kann, finde ich schon bemerkenswert“, erzählt uns Landig im Interview.

Eines Tages schlägt jemand Levy sein rechtes Auge aus. Gemalte Hakenkreuze an seiner Hauswand stehen für ihn ebenfalls auf der Tagesordnung. Als sein Wohnhaus brennt, ist am folgenden Tag in der lokalen Tageszeitung ein Foto Levys in Unterwäsche vor seinem beschädigten Haus zu sehen. „Ich denke nicht, dass das besonders respektvoll war“, kommentiert Volker Landig den Vorfall. Doch trotz all dieser Demütigungen bleibt Fritz Levy stark und wehrt sich gegen die Menschen, die ihm nicht wohlgesonnen sind. So kontert er gegenüber den Marktfrauen häufig mit „Du Hure“ oder begrüßt die Menschen auf der Straße, auch nach dem Krieg, in ironischer Stimmlage mit: „Heil Hitler!“

„Levy war ein volkstümlicher Typ. Wenn jemand ehrlich und offen war, kam man meist gut mit ihm klar“, so der ehemalige Lehrer und Zeitzeuge Hartmut Peters.

Feuerwehreinsatz im Haus von Fritz Levy an der Bismarckstraße. Einige Schaulustige betrachten den Qualm, der aus dem Haus aufsteigt. Wie der Brand zustande kommt, bleibt bis heute ungeklärt.
Foto: Privatarchiv H. Peters, Wilhelmshaven

Quelle: Privatarchiv Hartmut Peters, Wilhelmshaven
Interview mit Volker Landig und Hartmut Peters
Artikel „Die Ziege graste mitten in der Stadt vor Jevers Kirche“ (erschienen: Deister- und Weserzeitung, 14.11.1981)

Autor*in: