Ist Feminismus scheinheilig?

von Anna Budde

Mit dieser und weiteren Fragen beschäftigt sich Koa Beck auf den 320 Seiten ihres neuen Buches „White Feminism“, das am 07. Januar 2021 auf Englisch von Simon & Schuster Ltd veröffentlicht wurde.

Über die Autorin:

Koa Beck ist die ehemalige Chefredakteurin von Jezebel. Zuvor war sie Chefredakteurin der Vogue, Senior Feature Editor bei MarieClaire.com und CoModeratorin der „The #MeToo Memos“ auf WNYCs The Takeaway. Ihre Literaturkritiken und Berichterstattung sind unter anderem in TheAtlantic.com, The New York Observer, TheGuardian.com, Vogue.com und MarieClaire.com erschienen. Für ihre Berichterstattung über Gender, LGBTQ-Rechte, Kultur und Rassismus hat sie unter anderem an der Harvard Law School, der Columbia Journalism School, der New York Times und dem Metropolitan Museum of Art referiert. Die BBC interviewte sie zu ihrer Perspektive auf den amerikanischen Feminismus. Koa Beck erhielt das Joan Shorenstein Fellowship an der Harvard Kennedy School, um dieses Buch zu schreiben. Sie lebt mit ihrer Frau in Los Angeles.

© Martha Stewart
© Book Cover Image: White Feminism, simonandschuster.com

Leser*innen, die sich bereits mit intersektionalem Feminismus auseinander gesetzt haben, wissen etwas mit dem TitelBegriff anzufangen oder haben eventuell schon davon gehört, aber es werden sich auch viele fragen, was „weißer Feminismus“ ist. Wichtig ist zunächst zwischen den unterschiedlichen Feminismen zu differenzieren. Gender-Dings! (Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V.) fasst dies kompakt zusammen: „Es gibt viele verschiedene Bewegungen und Theorien, die sich für unterschiedliche Themen stark machen und sich teilweise sogar widersprechen. Trotzdem gibt es einen Kern, der alle Feminismen verbindet. Feminismus setzt sich für die Gleichstellung aller Menschen, gegen Sexismus und gegen die Diskriminierung von Frauen ein. […] Das Ziel von Feminismus ist nicht, statt Männern Frauen an die Macht zu bringen. Es geht um gerechte Verteilung und mehr Selbstbestimmung für alle.“ Die Vereinigten Nationen (UN) definieren intersektionalen Feminismus so, dass sich dieser auf die Stimmen derjenigen konzentriert, die überlappende, gleichzeitige Formen der Unterdrückung erleben, um die Tiefen der Ungleichheiten und die Beziehungen zwischen ihnen in jedem Kontext zu begreifen. fluter, das Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, führt dies weiter aus: „Intersektionalität ist nicht nur im Schwarzen Feminismus ein Thema, hat dort aber seinen Ursprung. Den konkreten Begriff prägte die Schwarze Juristin Kimberlé Crenshaw 1989: Sie hatte sich Gerichtsurteile aus den USA angesehen und festgestellt, dass sich Schwarze Frauen vor Gericht immer entscheiden mussten, ob sie als Frau diskriminiert wurden oder als Schwarze Person – obwohl es nachweislich Fälle gab, in denen sie für beides gleichzeitig benachteiligt wurden.“

An genau diesem gesellschaftlich konflikthaltigen Thema setzt Koa Beck mit ihrem Buch „White Feminism“ an. Die Autorin gliedert das Buch inhaltlich in drei Phasen des weißen Feminismus: Die Entstehungsgeschichte, die weitere problematische vom Kapitalismus geprägte Abspaltung und die Möglichkeit zur benötigten, zukünftigen Verbesserung. Koa Beck ordnet die historischen Ereignisse Kontext-getreu ein – beginnend im 19. Jahrhundert bis heute. Sie geht darauf ein, wer sich überhaupt als Feminist*in bezeichnen durfte, wer gesehen oder gehört wurde, wer überhaupt privilegiert genug war auf historischen Fotografien aufzutauchen. Sie fokussiert sich auf die amerikanische Geschichte und erläutert anschaulich wie die tief verwurzelte Rassentrennung zu zwei unterschiedlichen Bewegungen führte: Dem Weißen und dem Schwarzen Feminismus.
© Everett Collection, shutterstock.com

Koa Beck spricht tagesaktuelle Ungerechtigkeiten an und zeigt auf, dass damaliger Rassismus und Heterosexismus gegenwärtiger sind, als wir uns eingestehen wollen. Die Autorin hebt die Fehler des Weißen Feminismus hervor: „Der weiße Feminismus war und ist sehr erfolgreich darin Frauen zu mehr Eigeninteresse zu ermutigen. Allerdings brachte die weiße feministische Interpretation dieses Credos Selbstermächtigung und Individualismus zusammen. Sich für die eigene Menschlichkeit einzusetzen bedeutet nicht ein selbst-verwirklichter CEO zu werden, aber für weiße Feministinnen würde es das. Selbst-ermächtigt zu werden bedeutet nicht unbedingt, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Für andere geschlechts-spezifische Bewegungen liegt in dem Erkennen der eigenen Bedürfnisse, der Ursprung, um zu erkennen und zu verstehen, was andere Menschen brauchen.“ Koa Beck beschreibt wie sich eine neue Ära des Feminismus entwickeln könnte. Die erste Säule der Veränderung bestehe darin damit aufzuhören Privilegien nur anzuerkennen und stattdessen für Sichtbarkeit zu kämpfen. Die zweite Säule sei das Bekämpfen der Systeme, die marginalisierte Geschlechter zurückhalten. In der dritten Säule des Wandels sollten Frauen für Missbrauch zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Autorin kombiniert autobiografische Elemente geschickt mit sachlichen Belegungen. Thematisch bezieht sie sich zwar hauptsächlich auf die USA, dennoch sind die Themen, die sie bespricht von globaler Relevanz. Koa Becks Buch ist lesenswert für alle, die sich für die Gleichberechtigung aller interessieren und einsetzen (wollen). Es ist inspirierend, lehrreich und aufweckend. Sie hält Feministen*innen den Spiegel vor und gibt Ausblicke auf eine Zukunft, die nur gemeinsam gerecht werden kann. „Unsere kollektive Zukunft liegt in der Art und Weise, wie wir einander sehen.“

Ab wann das Buch in deutscher Fassung erscheint, ist bislang unklar.

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